Kritik zu Total Trust

© Piffl Medien

2023
Original-Titel: 
Total Trust
Filmstart in Deutschland: 
05.10.2023
L: 
97 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Die Exilchinesin Jialing Zhang widmet sich mit ihrem Dokumentarfilm den Techniken des chinesischen Totalitarismus, die durch Digitalisierung immer effizienter zu werden drohen

Bewertung: 4
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 1)

Das chinesische Feuerwerk ist berühmt. Zum 100. Jahrestag der kommunistischen Partei übertraf man sich 2021 in China mit einem pyrotechnischen Wunderwerk. Mit Feuer geschriebene Buchstaben erleuchteten den Himmel. Zu sehen sind Bilder einer artifiziell illuminierten Megacity. Sie feiern den Sozialismus als Triumph der Technik und des Lichts. »Erfüllung, Zufriedenheit und Sicherheit«, so eine TV-Ansagerin, garantiere die Partei den Bürgern. In ihrem Dokumentarfilm »Total Trust« entzaubert Jialing Zhang dieses Blendwerk. Die preisgekrönte Exilchinesin (»One Child Nation«) führt am Beispiel zweier Familien und einer Journalistin vor Augen, wie der chinesische Staat sein System der Kontrolle und Unterdrückung perfektionierte.

Gemeinsam mit ihrem etwa achtjährigen Sohn Tutu hofft Zijuan Chen auf die Freilassung ihres Mannes Weiping Chang. Wegen des Verdachts auf »Anstiftung zum Umsturz der Staatsgewalt« wurde er verhaftet. Wie diese Beschuldigung juristisch gefasst wird, ist in China unklar. Sie entspricht einem Generalverdacht, der auf alles angewandt wird. In welchem Gefängnis Weiping Chang sich befindet, ist auch unklar.

Wenigstens einen Lichtblick gibt es bei Wenzu Li, der Frau des chinesischen Menschenrechtsanwalts Wang Quanzhang. Nach fünf Jahren, die er wegen dubioser Beschuldigungen hinter Gitter verbracht hatte, kam er frei. Vor der Kamera erzählt er, wie er während der Haft für jede Kleinigkeit schriftliche Anträge stellen musste. Bewegte er sich ohne Erlaubnis im Schlaf, so wurde er dafür bestraft. Er lebte zwar, doch man reduzierte ihn auf den Status einer Leiche. Über seinen Fall berichtete die im Film zu Wort kommende Journalistin Sophia Huang Xueqin. Aus dem Abspann ist zu erfahren, dass sie verhaftet wurde.

Jialing Zhang begleitet ihre Protagonisten im Alltag. Viele Situationen verdeutlichen das Ausmaß der Kontrolle und der Beschränkung der Freiheit. Möglich wird dies mit Big Data. Durch eine Community-App vernetzte Bürger treten in einen sportlich anmutenden Wettbewerb um moralisch-ethisches Prestige. Ehrenamtliche Arbeit steigert den Sozialkredit. Wer demonstriert oder eine Petition an den Staat schickt, büßt viele Kreditpunkte ein. Der Sozialkredit fungiert als Index. Er bestimmt, welche Schule die Kinder besuchen und welche Reisen eingeschränkt werden. Eingebettet ist das System in nahezu lückenlose Kameraüberwachung. Deren Gesichtserkennung registriert auch die emotionale Verfassung des Einzelnen und zeigt so, wer mitspielt oder sich verweigert.

Nur zu gut wissen die Protagonisten des Films, dass ihre unzähligen Petitionen ungehört bleiben. Der Aktivismus ist jedoch die einzige Möglichkeit, eine innere Freiheit zu bewahren. Inhaltlich zeigt Zhangs Film nicht viel Neues. Auf bislang selten gesehene Weise macht er jedoch die bedrückende Atmosphäre in diesem totalitären System spürbar. Während Italiener in der Pandemiezeit auf Balkonen gemeinsam sangen, hört man in China die Hungerschreie unzähliger Menschen, die ihre Hochhauswohnungen nicht verlassen durften. »Total Trust« ist ein visuell eindringlicher, erschütternder Dokumentarfilm, dessen chinesische Mitarbeiter anonym bleiben.

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