Kritik zu Titina – Ein tierisches Abenteuer am Nordpol
Die Eroberung des Nordpols durch ein Luftschiff im Jahre 1926 – erzählt durch die Augen einer ursprünglich aus Rom stammenden kleinen Terrierdame
Wie kommt der kleine Hund in die Arktis? Es begab sich 1925, dass der große norwegische Entdecker Roald Amundsen, schon etwas älter zwar, aber immer noch mit einer beträchtlichen Menge Hummeln im Hintern, den italienischen Luftschiffingenieur Umberto Nobile kontaktierte. Derselbe solle ihm ein ebensolches konstruieren, groß und prächtig solle es sein und tauglich, um damit den Nordpol zu erobern. Da Amundsen es eilig hatte, baute Nobile ein bereits vorhandenes Schiff wunschgemäß um, das standesgemäß »Norge« (Norwegen) getauft wurde. Hauptfinanzier des Unterfangens war der US-amerikanische Polarforscher Lincoln Ellsworth und ungewöhnlichstes Mitglied der Expedition eine Terrierhündin, die Nobile einst in Rom auf der Straße zugelaufen war. Titina, so ihr Name, gibt nun dem Langfilmdebüt von Kajsa Næss, die gemeinsam mit Per Schreiner auch das Drehbuch schrieb, den Titel. Und »Titina« erzählt die Geschichte ihres Abenteuers mit der Gelassenheit eines Hundes, der nicht weiß, dass er Geschichte schreibt. Wozu auch? Fakt aber ist, dass die »Norge« den Nordpol am 12. Mai 1926 überflog und mit ihr die ersten Menschen, und eben auch ein kleiner Hund.
Klassisch und schlicht ist die Animation: große Flächen, klare Farben; reduziert wo möglich, detailreich wo geboten und zugespitzt wo angebracht. Wenn beispielsweise ein kompakter Mussolini, klein, aber oho! und immer mit Kirche und Trara im Schlepptau, die Obstkiste erklimmt, um bei der Verabschiedung der Expeditionsteilnehmer zu einer Selbstlob-Arie anzuheben. Von Mussolini als Witzfigur abgesehen klammert »Titina« etwaige politische Dimensionen des Geschehens jedoch aus und konzentriert sich stattdessen auf die von Konkurrenz strapazierte Freundschaft zwischen Nobile und Amundsen, dessen Ego groß zu nennen eigentlich noch eine Untertreibung ist. Und doch ist es Amundsen, der sich auf die Suche nach Nobile macht, als der beim Versuch, mit der »Italia« den Nordpolüberflug zu wiederholen, abstürzt. Und es ist Amundsen, der wartet, bis Nobile seine letzte Runde dreht, selbstverständlich nicht ohne Titina. Immer wieder erlaubt Næss sich und ihrer tierischen Heldin Ausflüge in eine surreale Welt: darin eine Jazzsängerin auf einer aus Blütenblättern gestreuten Treppe zu den Sternen aufsteigt, himmelhochjauchzende Stimmung buchstäblich verkörpernd. Oder ein Schlagzeuger mitten auf der Straße eines Kaffs im eisigen Alaska die aufgewühlte Stimmung in ein kunstvolles Solo übersetzt, zu dem der Hotelpage einen rasenden Tanz hinlegt. Und Titina die Bekanntschaft eines Wals macht, der ihr das Leben rettet, als sie sich auf dem Eis verirrt. Während Amundsen von Terrier-Terrine träumt und dazwischenmontierte historische Archivaufnahmen daran erinnern, dass all dies sich wirklich zugetragen hat. Jedenfalls so ähnlich.
Im gemächlichen Tempo eines Luftschiffs dahingleitend, verzichtet »Titina« auf eine von Aufreger zu Aufreger hechelnde Dramaturgie und setzt seine ganz Kraft darein, ein warmherziger und humorvoller und obendrein noch schön anzusehender Film zu sein. Erfolg auf ganzer Linie.
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