Kritik zu Thomas Schütte – Ich bin nicht allein
Regisseurin Corinna Belz legt nach ihren Filmen zu Gerhard Richter, Peter Handke und Paula Modersohn ein weiteres erhellendes Künstlerporträt vor, in dem die Arbeit für sich spricht
Am Anfang das Ende: der Tod. Genauer: Ein Grabstein in Form einer Hütte, den Thomas Schütte vor 40 Jahren entworfen und gezeichnet hat. Für sich selbst, samt Inschrift mit Sterbedatum 25. März 1996. »Meinen fiktiven Todestag habe ich ja schon 25 Jahre überlebt«, sagt seine Stimme im Film, »da ist jetzt jedes Jahr ein Erfolg.« Dann sehen wir den Künstler mit Modellierholz und Fingern an Stirn und Augenlidern einer übermenschengroßen Büste aus Ton arbeiten.
In ihren filmischen Porträts von »Gerhard Richter« (2011) und »Peter Handke« (2016) hatte Regisseurin Corinna Belz die beiden gern verklärten Großkünstler überzeugend geerdet. Dies gelang ihr mit genauem und geduldigem Blick auf das Handwerkliche der künstlerischen Praxis. Nun hat sie sich in ähnlicher Art mit Thomas Schütte dem international renommiertesten deutschen Skulpteur (und Zeichner) zugewandt: einem auf Höhe der Zeit, aber traditionell figurativ arbeitenden Künstler, der die Konzeptkunst der 1960er im Film einmal eine »Endstation« nennt (»Man durfte ja nichts mehr machen«) und sich 2020 mit einer eigenen Ausstellungshalle bei Neuss samt Archivräumen und Atelier weitgehend selbstbestimmte Möglichkeiten für Arbeit und Präsentation geschaffen hat.
Belz und ihre Kameraleute begleiten das Schaffen des Künstlers an Projekten dort und außerhalb. Roter Faden ist die Entwicklung und Aufstellung der monumentalen Bronzefigur »Nixe« von der ersten Idee über diverse, immer größer werdende Modelle und Gießformen aus Ton, Styropor und auch ein Computerscan. Doch der größte Teil der Tätigkeiten ist immer noch im besten Sinn physisch, wenn Schütte mit beiden Händen im Ton knetet oder im Team Styropor bemalt und feilt oder riesige Figuren erst zerstückelt und dann wieder zusammengeschweißt werden. In guter Gesellschaft ist der Künstler auch in der Zusammenarbeit mit spezialisierten Betrieben wie der Kunstgießerei Kayser in Düsseldorf oder der Glaswerkstatt Berengo auf Murano, wo der »Maestro« überschwänglich begrüßt wird.
Auch wenn Zufälle durchaus eine Rolle spielen, weiß dieser Meister immer beeindruckend genau, was er will und tut. Das Drehteam taktete sich für zwei Jahre kongenial konzentriert in Schüttes Arbeitsrhythmen und -abläufe ein, auch um keinen wesentlichen Moment zu verpassen. Erklärungsansätze zum Werk, das in unterschiedlichsten Materialien und Ausführungen beharrlich um das Thema Mensch kreist, kommen dabei nur von Galeristen in aller Welt bei Aufbau und Begehung der Ausstellungen. Musikalisch akzentuiert wird die Erzählung durch die lakonische Begleitung des Duos Christoph M. Kaiser und Julian Maas. Am Ende überzeugt die Arbeit von Bildhauer und Filmteam mit Ernsthaftigkeit, handwerklichem Können, Beharrlichkeit, Präzision und Witz. Belz' Film ermöglicht dichte und konkrete Einblick in Schüttes künstlerisches Schaffen und lässt in vielen Momenten auch die Persönlichkeit dahinter aufblitzen.
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