Kritik zu Gerhard Richter – Painting
Die Kamera als kreative Störung: Dokumentaristin Corinna Belz beobachtet und porträtiert den Künstler Gerhard Richter bei seiner Arbeit. Ein Porträt über die unspektakuläre Entstehung der Kunst
Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit, heißt es. Corinna Belz zeigt in ihrem Film aber nicht nur die Arbeit. In ihrer Dokumentation schaut sie Gerhard Richter, bedeutender Gegenwartskünstler, während einer schöpferischen Phase mit der Kamera über die Schulter. Eine solche Betrachtung ist nicht automatisch originell. Henri-Georges Clouzot hielt 1956 die Arbeitsform seines Freundes Pablo Picasso für die Nachwelt fest. Bei seinem berühmt gewordenen Film Le mystère Picasso ist der Titel Programm: Während das Genie auf Kommando – und förmlich im Minutentakt – formvollendete Meisterwerke produziert, stellt sich beim Betrachter bald eine gewisse Langeweile ein. Corinna Belz gelingt dazu ein Gegenentwurf. Während Picasso ein inneres Programm abspult, scheint für Richter der kreative Prozess immer wieder mit einer existenziellen Herausforderung verbunden zu sein. Die durchlebte innere Spannung und der Zweifel, ob das jeweilige Projekt zu einem Resultat führt, übertragen sich auf den Zuschauer.
Dabei versteigt die Dokumentarfilmerin sich nicht zu einem Insiderbericht. Sie beobachtet das Anmischen der Farben und das Bespannen der Leinwände durch die beiden Assistenten. Wir sehen minuziöse Vorbereitungen von Ausstellungen, bei denen die Galerieräume im Modell nachgebaut und mit Miniaturfotografien der Exponate bestückt werden. Richter fliegt zu Vernissagen nach New York und London, wo Laudatoren die im Kunstbetrieb üblichen Sätze sprechen. Eine knappe Werkeinführung setzt auch denjenigen, der Richter nicht kennt, buchstäblich ins Bild. In einem für die späten 60er Jahre typischen TV-Film soll Richter die Frage beantworten, ob seine Kunst »die Gesellschaft« verändere.
Mit diesen Basisinformationen rahmt Corinna Belz den Film ein. Ihr eigentliches Motiv ist die Entstehung eines Zyklus großformatiger abstrakter Gemälde. Wenn Richter mit einem zwei Meter breiten Spachtel, dem sogenannten Rakel, wieder und wieder Farbe aufträgt, erinnert er an einen Malermeister. Hautnah erlebt der Betrachter mit, wie der Zufall seinen kreativen Prozess mitprägt. Indem er sich dem Unvorhersehbaren aussetzt, gehört mögliches Scheitern zu seiner Arbeitsweise. Nicht zufällig wurden jene Bilder, die während der Kerndrehzeit zwischen April und September 2009 entstanden, am Ende vernichtet.
Warum gibt der Künstler diese intimen Momente der Kamera preis? Der Film zeigt einen uneitlen Mann, dem das Werk wichtiger ist als der Rummel um seine Person. Er scheint die Präsenz der Kamera als »kreative Störung« mit in die Arbeit einzubeziehen. In jenen kargen Gesprächen, in denen Richter niemals schwadroniert, setzt sich dieses Grundmotiv fort. Einer seiner Lehrer habe einmal fröhlich pfeifend ein Bild gemalt. Derart narzisstische Freude am Schaffensprozess ist für Richter Selbstbetrug. Kunst entsteht zwar nicht klischeehaft aus Leiden. Sie wurzelt in einer körperlich spürbaren Skepsis, die nicht jeder auszuhalten vermag. Dies spürbar zu machen, ist die »Kunst« von Corinna Belz' im besten Sinne unspektakulärem Porträt.
Kommentare
Der Prozess
Das "Werden" bei Richters Methode ist ein vorsichtiges Hantieren, als ob er der Leinwand nicht weh tun möchte. Sicher, er führt aus, was sein muss, aber leidet förmlich mit.
Wenn er den Zeitpunkt der "Zeugung" hinter sich hat, huscht ein sanftes Lächeln über sein Gesicht und Erleichterung macht sich breit.
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