Kritik zu Ted Bundy: No Man of God
Amber Sealey verfilmt auf Grundlage von FBI-Transkripten das Verhörduell zwischen Bill Hagmaier und dem Frauenmörder Ted Bundy
Vor vier Jahren erzählte die amerikanische Serie »Mindhunter« von den Anfängen der Kriminalpsychologie in den späten Siebzigerjahren. Damals begann das FBI damit, Serienmörder zu befragen, um deren Verhaltensmuster zu analysieren. Gut zehn Jahre später führte der FBI-Analyst Bill Hagmaier eine Reihe von Interviews mit dem notorischen Serienmörder Ted Bundy, dem bis zu hundert Frauenmorde zugeschrieben werden, dreißig davon offiziell, bis zu siebzig weitere mutmaßlich. Die Sehnsucht, dem Grauen auf den Grund zu gehen, aber auch die Faszination des Bösen haben seit 1986 insgesamt acht Spielfilme und drei Dokumentarfilme hervorgebracht, die sich mit Bundy befassen. Allein in den letzten beiden Jahren sind zwei Dokuserien und zwei Spielfilme entstanden.
Auch wenn Amber Sealeys Film »Ted Bundy« im deutschen Titel trägt, ist er nicht die wahre Hauptfigur. Auf der dokumentarischen Grundlage von FBI-Transkripten der Gespräche mit Bundy und den Erinnerungen von Bill Hagmaier ist der Film als psychologisches Duell angelegt, als Kräftemessen in Manipulationstechniken. Eine außergewöhnliche Unternehmung ist das Projekt schon deshalb, weil die Schauspielerin und Regisseurin Amber Sealey sich als Frau und damit Vertreterin der Opferseite mit dem Phänomen Bundy befasst. Voyeuristische Blicke auf Frauenkörper, denen von einem Mann Gewalt angetan wird, gibt es in ihrem zeitgemäßen Ansatz jedenfalls nicht. Frauen sind bewusst nicht als Objekt, sondern als Subjekt inszeniert. Einmal, wenn Hagmaier zum Gefängnis fährt und im Auto bei offenem Fenster ein Tape mit Bundys Selbstzeugnissen hört, mustert die Fahrerin des Nachbarautos ihn so herausfordernd, dass der sich ertappt fühlt. Immer wieder gibt es Momente, in denen Frauen den Blicken der Kamera standhalten und anklagen.
Zwei Männer, ein Raum, das könnte statisch und fad wirken, tut es aber nicht, ganz im Gegenteil, denn Amber Sealey choreographiert ein hochdynamisches Ballett der Blicke, aus immer neuen Blickwinkeln umkreist, beschleicht, belauert die Kamera die beiden Männer. Zusätzlichen Drive bekommt das Arrangement durch die Montage; an Spannung gewinnt der Film durch das minuziös austarierte Spiel von Elijah Wood als Hagmaier und Luke Kirby als Bundy.
Fünf fest angestellte Profiler leistete sich das FBI damals, Bill Hagmaier war derjenige, der es noch mal versuchen wollte, an Bundy heranzukommen, der sich bis dahin nach kurzem Katz-und-Maus-Spiel immer wieder verweigert hatte. Um das Interesse des manipulativen Bundy zu wecken, muss Hagmaier einen Pakt mit dem Teufel eingehen, muss ähnlich wie Undercover-Polizisten eine freundschaftsähnliche Beziehung zumindest vortäuschen. Je glaubwürdiger er das tut, desto mehr gefährdet er sich selbst. Immer wieder gibt es Momente, in denen Hagmaier wie Jodie Fosters Clarice in «Das Schweigen der Lämmer« das Gefühl hat, das Böse infiziere ihn, krieche ihm unter die Haut und in den Kopf. Und was bedeutet es, wenn er Bundy von seinen Kindern erzählt und mit ihm lacht? Die wichtigste Erkenntnis ist, dass es nur eine sehr dünne Membran ist, die Hagmaier von Bundy trennt.
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