Kritik zu Stuck In Love
Liebe als Falle: Josh Boones Regiedebüt handelt gleichermaßen von der Liebe als Sehnsuchtserfüllung wie als Kränkungsursache
Sam glaubt nicht an die Liebe. Die junge Studentin und Schriftstellerin, die gerade ihren ersten Roman verkauft hat, reagiert auf Gefühle nur mit Zynismus. Eine Beziehung kommt für sie nicht infrage. Sie zieht es vor, sich Nacht für Nacht in ein unverbindliches Abenteuer zu stürzen. Und wenn einmal eine ihrer Bekanntschaften mehr will, dann wird er von Sam unmissverständlich zurückgewiesen. Liebe ist schließlich nur eine Lüge.
Davon will Sam (Lily Collins) unbedingt auch ihren jüngeren Bruder Rusty (Nat Wolff) überzeugen. Schließlich hat der sich gerade zum ersten Mal unsterblich verliebt. Um ihn aufzuklären, erläutert sie ihm den Unterschied zwischen einem Realisten und einem hoffnungslosen Romantiker. Der Realist sieht in einem bezaubernden Mädchen einfach nur ein weiteres bezauberndes Mädchen. Der hoffnungslose Romantiker glaubt indessen, dass Gott dieses Mädchen alleine dafür geschaffen hat, dass er es lieben kann. Nur – und das ist Sams Pointe – gibt es keinen Gott, und Realisten bekommen viele Mädchen.
Eine Rede wie diese fordert natürlich Widerspruch heraus. Daran ändern auch der entwaffnende Charme nichts, mit dem Lily Collins diese doch eher simple Theorie vorträgt. Es dürfte auch niemanden überraschen, dass ausgerechnet ihr Schöpfer, der Drehbuchautor und Regisseur Josh Boone, Sam am vehementesten widerspricht. Sein Debüt ist ein hoffnungslos romantischer Film, in dem Sam eine Zeit lang die Advokatin des Teufels spielen darf. Schließlich ist auch nicht alles falsch, was sie sagt. Aber welche 20-Jährige kann schon auf Dauer derart zynisch bleiben?
Ihr Vater, der einstmals erfolgreiche Schriftsteller William Borgens (Greg Kinnear), ist einer dieser hoffnungslosen Romantiker, vor denen Sam ihren Bruder so drastisch warnt. Allerdings hat seine romantische Einstellung einige höchst beunruhigende Nebenwirkungen. Obwohl er nun schon seit drei Jahren von seiner Frau Erica (Jennifer Connelly), die inzwischen wieder geheiratet hat, geschieden ist, legt er zu Thanksgiving noch ein viertes Gedeck für sie auf. Außerdem streicht er alle paar Nächte in ihrem Vorgarten herum, in der Hoffnung, einen großen Streit zwischen Erica und seinem Nachfolger zu erleben.
Stuck in Love, das darf man in der Welt der Schriftstellerfamilie Borgens auf jeden Fall wörtlich nehmen. Die Liebe ist in Boones Erstling tatsächlich eine Art Falle, aus der es kein Entkommen gibt. Sich zu verlieben, heißt auf Englisch schließlich nicht ohne Grund »falling in love«. Aber trotz des Glaubens an die eine große Liebe, die alles verändert, bleibt Boone erstaunlich realistisch. Er gestattet sich den Traum vom Glück zu zweit, doch zugleich erzählt er überraschend illusionslos von den Fehlern, die Menschen in der Liebe machen. In einem besonders ergreifenden Moment muss Greg Kinnears Schriftsteller erkennen, dass er seine große Liebe über Jahre hinweg nahezu er drückt hat. In diesem Augenblick der Wahrheit wirkt Kinnear auf einmal unglaublich verloren. Wenn die Liebe dann doch noch siegt, ist das ein Triumph, der um die Verletzung weiß, die sich Menschen im Namen der Liebe beibringen.
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