Kritik zu Stiefbrüder
Will Ferrell und John C. Reilly als nie erwachsen gewordene Söhne, die die Heirat ihrer Eltern zu Stiefbrüdern macht – eigentlich klingt das nach einer tollen Ausgangssituation für eine Komödie
Ob als Regisseur, Drehbuchautor oder Produzent, Judd Apatows Witz besitzt einen hohen Wiedererkennungswert, sowohl was Sprachduktus als auch Situationskomik angeht. Als einer der wenigen unter Hollywoods Komödienautoren verfügt er über die Gabe, Sublimes hinter der Brachialität seiner Figuren zu entdecken. Statt sie bloß vor den Pointen herzutreiben, legen seine Witze oftmals eine verborgene Schicht in ihren sozialen Befindlichkeiten frei. Seine Figuren – Stoner, Slacker, Muttersöhnchen – leben erfolgreich an den gesellschaftlichen Konventionen vorbei. Im Grunde sind sie, der hoffnungslose Narziss wie der verklemmte Außenseiter, nur große Kinder.
»Stiefbrüder«, der neue Film von »Ricky Bobby«-Regisseur Adam McKay, treibt diese Prämisse auf die Spitze. Brennan (Will Ferrell) und Dale (John C. Reilly) sind fast vierzig und leben noch bei ihren Eltern. Was genau in ihrer Sozialisation schiefgelaufen ist, lässt der Film im Dunkeln, aber die Spätfolgen sind nicht zu übersehen. Ferrell holt sich zu einem Fitnessfernsehspot einen runter, Reilly (im »Star Wars«-Shirt) pflegt seine Comicsammlung. Ihre Existenz grenzt an ein soziologisches Wunder. Die beiden Männer führen eine unbeschwerte Junggesellenexistenz, ohne das Elternhaus je verlassen zu haben. Als ihre Eltern (Mary Steenburgen und Richard Jenkins) sich entschließen zu heiraten, werden ihre Sprösslinge zu Zimmergenossen wider Willen. Nach einigen erbitterten Handgreiflichkeiten müssen die beiden jedoch erkennen, dass sie mehr verbindet als trennt (zum Beispiel ihre Vorliebe für Dinosaurier, Chewbacca-Gummimasken und den Schauspieler John Stamos als homoerotische Option). Weil sich dieses Lebensmodell aber nur schwer mit dem ihrer frischverliebten Eltern vereinbaren lässt, werden sie schnell mit der Realität außerhalb ihres Jugendzimmers konfrontiert. Von den Eltern zur Jobsuche verdonnert, treten sie in das richtige Leben ein – ein Schritt mit katastrophalen Folgen.
Will Ferrell hat sich über die Jahre ein ganzes Repertoire an Kind-Mann-Manierismen zugelegt; seine Figur des Brennan stellt aber selbst in diesem sehr speziellen Kontext einen Extremcharakter dar. Wie es auch anders geht, hat Steve Carrell in Apatows »Jungfrau (40), männlich, sucht« gezeigt: mit Understatement und verschmitzter Harmlosigkeit. Der im Vergleich enorm laute »Stiefbrüder« stellt den Antipoden zum bisherigen Output der Apatow-Fabrik dar. Hier zeigt sich ex negativo, was an Filmen wie »Beim ersten Mal« noch so gelungen war. Sobald die Figuren sich ihrer kulturellen Devianz nicht mehr bewusst sind, retardieren sie zu Blödhammeln. Ferrell hat diese Disposition längst in eine wahnwitzige Ein-Mann-Show verwandelt, die er bravourös zu variieren versteht. In »Stiefbrüder« geht das jedoch eine Spur zu weit. Brennan und Dale mangelt es schlicht an sozialer Intelligenz. Da aber genau diese soziale Komponente Apatows beste Filme auszeichnet, wird man der Profanitäten und behavioristischen Unzulänglichkeiten der Figuren hier schnell überdrüssig. Im Grunde ist der ganze Witz des Films schon mit der Titelsequenz erzählt.
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