Kritik zu Starlet
Eine ziellose 21-Jährige, eine weit über 80-jährige Witwe, ein bisschen Pornoindustrie und eine Thermoskanne voller Geld – das sind die Zutaten für Sean Bakers Independentfilm
Zunächst ist da dieses Licht. Es scheint wirklich jeden Winkel des San Fernando Valley zu durchdringen. Selbst die Innenräume wirken extrem hell, als hielten es die Menschen nur noch in der gleißenden Sonne oder im grellen Licht der Neonröhren aus. Sean Baker und sein Kameramann Radium Cheung nehmen dem Licht der unermüdlichen Sonne mit ihren Gelbfiltern zwar etwas von seiner Härte. Dennoch wirken ihre Aufnahmen alle ein wenig überbelichtet und damit etwas unwirklich. Dieses Licht muss die Menschen und ihr Leben einfach prägen. Es erschafft eine Welt, in der alles zu flirren und zu schweben scheint, die kaum einen Halt bietet und doch eine seltsame Sicherheit suggeriert. In diesem Licht kann sich ein Mensch geborgen fühlen wie in einem Traum. Und vielleicht hat eben das die 21-jährige Jane ins Valley gelockt. Mit ihren langen Beinen, ihrem offenen Gesicht und den blonden Haaren ist die von Dree Hemingway gespielte junge Frau auf jeden Fall ein Geschöpf dieser seltsamen Welt aus Licht.
Jane lässt sich in ihrem schicken Wagen mehr oder weniger ziellos durch die Straßen des Valley treiben. In ihrem unpersönlichen, rein funktionalen Zimmer in der Wohnung, die sie sich mit zwei anderen Richtungslosen, der egozentrischen Melissa (Stella Maeve) und deren ständig nach Luftschlössern greifenden Freund Mikey (James Ransone), teilt, fühlt sie sich nicht wohl.
Also streift Jane von einem Vorgartenflohmarkt zum nächsten, immer auf der Suche nach etwas, worin sie sich selbst wiedererkennt. Dabei entdeckt sie eine alte Thermoskanne, die sie aus einer Laune heraus zu einer Vase erklärt. Das nervt deren Besitzerin, die mehr als 60 Jahre ältere Sadie (Besedka Johnson), zwar. Aber da sie nie wieder etwas von der eigensinnigen jungen Frau hören muss, ist es ihr auch wieder gleich. Nur findet Jane in der Kanne 10 000 Dollar und sucht daraufhin immer wieder Kontakt zu der abweisenden alten Dame.
Nach und nach entwickelt sich eine bizarre Beziehung zwischen Jane und Sadie. Natürlich sind sie beide einsam und sehnen sich nach etwas, das sie selbst entweder nicht benennen können oder nicht benennen wollen. Manchmal ist Einsamkeit, ein abgeschottetes, fast schon eremitisches Leben, auch einfacher. Nur ist diesem Film letzten Endes mit Psychologie kaum beizukommen.
Hollywood gilt als Traumfabrik, das San Fernando Valley, in dem schon in den 70er Jahren die amerikanische Pornofilmindustrie ihre Heimat gefunden hat, dagegen als Endstation aller Träume. Doch so einfach ist es nicht. Bakers Figuren sind allesamt Traumwandler, an denen das Leben vorbeigleitet. Damit ist auch Janes und Sadies Freundschaft, die zunächst nach einem Konzept des Independentkinos klingt, das Produkt einer unwirklichen Wirklichkeit, die sich um Wahrscheinlichkeiten nicht schert. Aber das hindert weder Ernest Hemingways Urenkelin noch die Filmdebütantin Besedka Johnson daran, sie mit einer Präzision zu verkörpern, die diese Traumgeschöpfe fest in der Imagination des Betrachters verankert. Auf ihre Art sind sie ganz und gar lebendig und wahrhaftig
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