Kritik zu So ist Paris

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Stadt der Liebe, des Eiffelturms und der taubengrauen Fassaden – anders als in Klischees scheint Paris nicht mehr zu fassen. Cédric Klapisch versucht es in seinem Episodenfilm mit Ironie und Traurigkeit

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Schon die Eingangskamerafahrt, die den Zuschauer an den immer reiseführertauglichen Häuserfassaden von Paris entlangführt, die Häuserfronten aber ineinander verschiebt und verfremdet, scheint signalisieren zu wollen: Es gibt mehr als das eine Paris der Hochglanzpostkarten. In dem neuen Metropolenfilm von Cédric Klapisch, der vor allem durch seine melancholische Erasmus-Studentenkomödie »L'Auberge Espagnole« in Erinnerung geblieben ist, spielen demzufolge auch nicht jene Literaturkritiker, Fernsehmoderatoren, Filmdiven oder Bohème-Bourgeois die Hauptrolle, die sonst so unvermeidlich fast jeden in Paris spielenden Film seit Truffaut bevölkern.

An ihre Stelle setzt Klapisch in seinem Episodenfilm eine Sozialarbeiterin, eine Gruppe von Gemüseverkäufern und einen ehemaligen Tänzer. Wie um nicht ganz die Verbindung zum herkömmlichen Parisfilm zu verlieren, lässt er auch einen Literaturprofessor, einen Architekten und eine Studentin auftreten. Haupt- und Leitfigur des Filmes, die als Träger dieses anderen Blicks auf die Stadt fungiert, ist jedoch der Tänzer Pierre (Romain Duris), der an einer Herzkrankheit leidet und nun auf eine höchst riskante Transplantation wartet. Der Gedanke an seinen möglichen baldigen Tod erzeugt bei ihm und seiner ihn rührig umsorgenden Schwester Élise (Juliette Binoche) Nachdenklichkeit und Bewusstheit gegenüber den vielen kleinen Schönheiten des Pariser Alltags. In diesem kommen Pierre und Élise mit anderen Geschichten und Verwicklungen in mehr oder weniger beiläufige Berührung. Das etwas abgedroschene Motiv von der Entdeckung neuer Lebenslust im Angesicht des Todes rückt bei den vielen Erzählsträngen glücklicherweise in den Hintergrund.

Klapisch inszeniert Paris betont als Stadt der »Normalos«. Ähnlich einem alternativen Reiseführer, der dem Leser die Stadt aus einer anderen Perspektive nahebringen will, verweist aber auch So ist Paris, gerade in seiner Abgrenzung, immer wieder auf gewohnte Motive des französischen Kinos. Das führt mitunter zu grandiosen Persiflagen bekannter Konstellationen. So nimmt die schönste Episode des Films die Obsession französischer Regisseure aufs Korn, graumelierte männliche Kulturgiganten selbstverliebt und ohne Rücksicht auf Verluste unter dem Genius verfallenen Studentinnen wildern zu lassen, wie es zuletzt in Claude Chabrols »Die zweigeteilte Frau« zu sehen war. Bei Klapisch macht sich in Umkehrung dieses Motivs der liebestolle Starprofessor der Sorbonne (Fabrice Luchini) für eine seiner Studentinnen (Mélanie Laurent) mit SMS-Terror und Beat-Tanz im wahrsten Sinne des Wortes zum Affen – um dann von der selbstbewussten Elevin in den Wind geschossen zu werden.

Und um die verschiedenen Episoden zu vereinen, nutzt der Film prompt und nicht ohne Ironie gerade die klischeehaften Aussichtspunkte Eiffelturm, Sacré-Coeur und Tour Montparnasse. Erst von ihnen scheint ein Überblick über die verschiedenen Mikrokosmen möglich. In der französischen Presse wurde kritisiert, dass der Film an Handlungssträngen zu überladen sei und damit eine Einfühlung in die Personen verunmöglicht werde. Genau dies ist aber vielleicht das prägnanteste Moment von »So ist Paris«: Es entspricht präzise dem alltäglichen Nebeneinander der verschiedenen urbanen Existenzen, die einander meist nur oberflächlich berühren.

Die Anonymität der Metropole kann sich aber durchaus mit zarter Herzlichkeit verbinden, wie die Schlussszene des Filmes zeigt: Der todkranke Pierre pflegte stets schüchtern mit der Bäckerauszubildenden zu flirten, nun trifft er sie vor der Abfahrt ins Krankenhaus, wo er operiert werden soll, zufällig noch einmal auf der Straße. Die junge Frau verabschiedet sich von ihm mit einem gewohnt unbekümmerten »Bis bald« – ohne die Dramatik der Aussage für Pierre auch nur ahnen zu können, da sie schließlich überhaupt nichts voneinander wissen. Trotzdem erkennt man in dieser Floskel unter flüchtigen Bekannten eine Wärme, die auch im von Namenlosigkeit und kalten Verhaltensnormen geprägten Paris noch überleben konnte.

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