Kritik zu Rudolf Thome – Überall Blumen
Serpil Turhan, ehemalige Darstellerin und Assistentin von Rudolf Thome, porträtiert den legendären Filmemacher bei der Arbeit an einem Drehbuch und den Alltagsvorrichtungen auf dem Bauernhof, wo er seit einigen Jahren lebt
Nachdenklich sieht er auf dem Filmplakat aus, vielleicht auch ein wenig verbittert, der Filmemacher Rudolf Thome. Letzteres wäre verständlich, denn seit sein letzter Film, »Ins Blaue«, in die deutschen Kinos kam, sind bereits vier Jahre vergangen. Serpil Turhan, die in drei seiner Filme vor der Kamera stand und ebenso oft als seine Regieassistentin fungierte, hat mit »Rudolf Thome – Überall Blumen« einen Porträtfilm gedreht, der fast ganz im Hier und Jetzt angesiedelt ist. Im Mittelpunkt steht der Versuch Thomes, einen neuen Film auf die Beine zu stellen. Turhan besucht ihn dafür auf dem Bauernhof im Süden von Berlin, wo er seit einigen Jahren lebt, führt lange Gespräche und beobachtet ihn in seinem Alltag (viel Arbeit auf dem Bauernhof, gelegentliche Besucher).
Ist Thome heute ein Vergessener? Wenn man ihn zu Beginn des Films sieht, wie er durch einen Raum voller Filmkopien und Requisiten streift, gelagert in Kartons, die von Feuchtigkeit gewellt und spinnwebüberzogen sind, dann kann man diesen Eindruck bekommen – ein Filmarchiv hat sich offensichtlich noch nicht dafür interessiert. So wundert man sich auch nicht, dass er, der seit vielen Jahren seine Arbeit in einem öffentlich zugänglichen Blog dokumentiert, dort einmal notiert, er »habe mehr und mehr das Gefühl, dass ich aus dem Gedächtnis der Filmgeschichte verschwinde«.
Offensichtlich gibt es dabei eine große Diskrepanz: zwischen den eingefleischten Fans, solchen, die damals »Detektive« (1969) und »Rote Sonne« (1970) sahen und sich von deren lakonischer Erzählweise mit einem Gespür für Gesten faszinieren ließen – nie war Marquard Bohm lässiger als hier. Oder solchen, die die – nach der Übersiedlung von München nach Berlin entstandenen – autobiografisch gefärbten »Tagebuchfilme« »Made in Germany und USA« (1974) und »Tagebuch« (1975) schätzen und nicht zuletzt jenen, die »Berlin Chamissoplatz« (1980) zu den großen Liebesfilmen der Filmgeschichte zählen. Immerhin sind 1983 und 2010 zwei Monografien über sein Werk erschienen. Aber jüngeren Kinogängern, sofern sie nicht ausgeprägte Cineasten sind, scheint sein Name nicht mehr viel zu sagen. Filmausschnitte kommen nur ganz wenige und ganz knapp vor in diesem Werk, es geht, wie gesagt, um die Gegenwart, um die Überlegung, einen Film vielleicht per Crowdfunding zu finanzieren, es geht um Leben und Tod (in der Erinnerung an Marquard Bohm und an Thomes langjährigen Kameramann Martin Schäfer) und um das Weitermachen. »Heute setze ich mir das Ziel, 90 Jahre alt zu werden«, zitiert Serpil Turhan Rudolf Thome am Ende aus seinem Blog. Das wünscht man ihm, aber ein neuer Film oder gar seine Autobiografie wären eine schöne Dreingabe. Schließlich ist sein langer autobiografischer Text »Überleben in den Niederlagen«, in den 80er Jahren in der Zeitschrift »Filme« publiziert, immer noch ein lesenswertes Dokument.
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