Kritik zu Ruby Sparks – Meine fabelhafte Freundin

© 20th Century Fox

In seiner zweiten Komödie nach Little Miss Sunshine verfilmt das Regieduo Dayton/Faris ein originelles Drehbuch von Zoe Kazan, der Enkelin von Elia Kazan

Bewertung: 4
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3 (Stimmen: 1)

Wer hätte gedacht, dass das sonnige Kalifornien als Schauplatz eines schauerromantischen Liebesmärchens durchgehen könnte. Die durchtriebene Geschichte ist als Komödie etikettiert, dahinter lugt aber eine Frankensteinfantasie hervor. Als »Dr. Frankenstein« fungiert Schriftsteller Calvin, ein literarisches Wunderkind, das seit seinem Durchbruch mit 19 Jahren an einer Schreibblockade leidet. Der einzige Freund des ungeselligen Endzwanzigers ist sein Hündchen; nachts träumt er von einer jungen Frau, die ihn so liebt, wie er ist. Auf den Rat seines Psychiaters schreibt er über diese Traumfrau und tauft sie Ruby Sparks. Und eines Morgens steht sie in seiner Küche. Nach dem ersten Schreck gewöhnt sich Calvin an die Situation, bestärkt von seinem Bruder, der ihm bestätigt, dass Calvins Hirngespinst aus Fleisch und Blut ist. Als Calvin merkt, dass er seine Idealfrau mit einem Griff in die Tasten seiner Schreibmaschine verändern kann, schwört er sich, seine Macht niemals auszunutzen.

Auch das Regieduo Jonathan Dayton und Valerie Faris hat mit seinem ersten Streich Little Miss Sunshine (2006) hohe Erwartungen geweckt und erst nach sechs Jahren nachgelegt. Ihr neuer Film ist eine moderne Märchenfantasie, die von Kamerakünstler Matthew Libatique (Black Swan) in beziehungsreiche
Bilder übersetzt wurde. Als »Fantasy« will man diese originelle Romanze so wenig eintüten wie Marc Forsters Stranger than Fiction, der eine Erklärung für die Materialisierung literarischer Figuren ebenfalls königlich verweigert.

Der einzige »Special Effect« ist Zoe Kazan, die Enkelin von Elia Kazan, die sich ein geistreiches Drehbuch auf den Leib geschrieben hat. In einer weiteren Verschraubung von Fiktion und Realität ist Filmpartner Paul Dano auch in echt ihr Gefährte. Die 29-Jährige verkörpert als künstlerischer Rotschopf Ruby jenen Typus eines unkonventionellen, leicht neurotischen Girlies à la Zooey Deschanel – und parodiert ihn zugleich. Dem menschenscheuen und arroganten Calvin geht die Lebensfreude seiner geliebten Kreatur bald gegen den Strich: Er bricht seinen Schwur, um sie schreibend zu verschlimmbessern. Geht Ruby allein aus, schreibt er sie zum Klammeräffchen um, ist sie schlecht drauf, macht er sie – »Ruby is deliriously happy about everything« – zur Stimmungskanone. Der emotionale
Scheitelpunkt ist jener herzzerreißende und abgründige Moment, in dem der eifersüchtige Calvin seiner großen Liebe ihren Marionettenstatus enthüllt – und mit seinem Einhacken auf die Schreibmaschine Ruby geradezu foltert. Sollte nicht Ruby, sondern ihr Schöpfer das Monster sein?

Das Szenario erinnert an »Pinocchio«, oder die Stepford Wives, aber auch an Der Exorzist. Drehbuchautorin Kazan hatte wohl konkret die Situation von Schauspielerinnen im Sinn, die von männlichen Regisseuren nach Gusto zu filmischen Idealfrauen geschmiedet werden. Doch neben männlichem Dominanzstreben veranschaulicht sie, leichtfüßig und klarsichtig, vor allem die Paradoxien menschlicher Beziehungen zwischen Liebe, Macht und Abhängigkeit. Eine unwiderstehliche Komödie, die man gleich noch einmal sehen möchte.

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