Kritik zu Rio 2 – Dschungelfieber
Carlos Saldanhas Animations-Sequel führt die Zuschauer wieder in den quietschbunten Amazonas-Dschungel – ganz darauf rechnend, dass man im Jahr der Weltmeisterschaft auch mit Pseudobrasilianischem suggerieren kann, dabei zu sein
Spritzige Erfrischungsgetränke mit exotischen Früchten, Bikinis im knappen Ipanema-Look und konfektionierter Samba-Pop für deutsche Radiohörer: Pünktlich zur Fußballweltmeisterschaft wird man mit schnell zusammengeschusterten brasilianischen und pseudobrasilianischen Produkten berieselt, die uns ein bisschen Copacabana-Feeling in den deutschen Sommer bringen sollen. Gespür für perfektes Timing besitzt natürlich auch 20th Century Fox, das sein Sequel zum Animationerfolgsfilm Rio zwei Monate vor dem Eröffnungsspiel in die Kinos bringt. Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht zu vermelden. Die gute: Hier ist nichts eilig zusammengepixelt worden, sondern mit Liebe, Bedacht und spitzer Feder ein generationenübergreifender Familienfilm entstanden, der sowohl Grundschul-Kids, als auch ihre Eltern und Großeltern bestens unterhält. Die schlechte Nachricht: Regisseur Carlos Saldanha hat sich bei den Vorbereitungen eindeutig zu sehr in Avatar verliebt, anders kann man die vielen Anspielungen auf James Camerons Erfolgsfilm nicht erklären.
Aber der Reihe nach: Aus Blu (Sprecher: David Kross) und Jewel (ProSieben-Moderatorin Johanna Klum) sind treusorgende Eltern geworden, die mit ihrem Nachwuchs einen Ausflug an den Amazonas unternehmen, wo wider Erwarten weitere blaufedrige Vögel ihrer aussterbenden Art entdeckt werden. Ein Herkulesakt für den sicherheitsbedürftigen Flattervater, der sich nur mit GPS-Navi, Schweizer Taschenmesser und anderem urbanen Schnickschnack auf die große Reise wagt.
Im Dschungel, man ahnt es bereits, jongliert der Film gekonnt mit den Gegensätzen zwischen menschenfeindlichen Exotenpapageien und den Macken des degenerierten Großstadtvogels. Eine weitere Handlungsebene bekommt der Film, als ein raffgieriger Holzhändler im weißen Flanellanzug den Regenwald im großen Stil abholzt. Nicht nur der Kampf zwischen ursprünglicher Fauna und stumpfer Maschinengewalt scheint von Avatar abgeguckt, auch der vor Farben, Wasserfällen und Grünzeug überbordende Look des Amazonas kann es hier fast mit Pandora, dem Fantasiewald von James Cameron aufnehmen. Überdeutlich wird der etwas plump wirkende Nachahmungsversuch, als Blu grell-pink fluoreszierende Lianen begutachtet, die in ähnlicher Weise einer der optischen Höhepunkte in Avatar bildeten.
Doch was soll man sich grämen? Besitzt Rio 2 als guter Unterhaltungsfilm doch einen feinen Witz und sagt zudem noch etwas über unser gesellschaftliches Zusammenleben aus: Blus Tochter Carla etwa leidet unter dem Syndrom moderner Teenager: Ihre weißen Kopfhörer stecken wie festgewachsen in ihren Ohren, auch beim Dialog mit ihren Eltern. Fast noch bedenklicher: Der singkräftige Vogel Roberto wird im Original vom hawaiianischen Popstar Bruno Mars gesprochen, in der deutschen Synchronisation von Roberto Blanco, was auch einen gewissen Aussagewert über die gegenwärtige deutsche Poplandschaft hat. Solange Roberto Blanco nicht noch mit einem WM-Song reüssieren will, darf man darüber aber getrost schmunzeln.
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