Kritik zu Rémi – Sein größtes Abenteuer
Mit ihrer Mischung aus historischem Realismus und märchenhafter Überhöhung avancierte die Literaturadaption in Frankreich zu einem Kassenhit
Der 10-jährige Rémi ahnt nicht, dass die liebenswürdige Madame Barberin nicht seine leibliche Mutter ist. Sein hartherziger Stiefvater will den aufgeweckten Jungen ins Waisenhaus stecken. Doch Monsieur Vitalis, ein zwielichtig erscheinender Wandersmann, nimmt den kecken Knirps für ein paar Goldmünzen unter seine Fittiche, denn er ahnt, dass das Kind mit einer Gottesgabe gesegnet ist.
Das klingt nach Kolportage. Tatsächlich basiert »Rémi – Sein größtes Abenteuer« auf dem mehrfach für die Leinwand adaptierten Roman »Heimatlos« von 1873, dem bekanntesten Buch von Hector Malot, einem Bestsellerautor, der in seinen Büchern oft Waisenkinder ins Zentrum rückte. Antoine Bloissiers Neuverfilmung dümpelt zunächst etwas holzschnittartig dahin. Das ändert sich nach einer zähen halben Stunde. Monsieur Vitalis lässt endlich durchblicken, worum es geht. Der gutmütige ältere Herr ist ein Gaukler, der von Ort zu Ort tingelt, um auf Marktplätzen Kunststücke aufzuführen. Vor den staunenden Augen seines kindlichen Publikums »erschießt« Monsieur Vitalis – peng! – seinen dressierten Hund namens Le Capitain. Artig stellt der Vierbeiner sich tot, worauf der Gaukler ihn wieder zum Leben erweckt.
Gewiss, selbst ein drittklassiger Zirkus würde so etwas besser hinbekommen. Aber das ist nicht der Punkt. Dank Daniel Auteuil in der Rolle des gebrochenen Virtuosen, der eine schwere Schuld abtragen muss, wirkt diese spartanische Gauklerdarbietung hinreißend. Man begibt sich auf Augenhöhe kindlicher Beobachter, für die solche eigentlich bescheidenen Tricks aufregend sind. Fortan folgt man gebannt der an Oliver Twist erinnernden Geschichte, in der es um monsterartige Stiefväter und herzensgute Mütter geht. Ein kurzweiliges Feelgoodmovie, dessen musikalisches Thema berührt, an einen themenverwandten Film wie »Die Kinder des Monsieur Mathieu« aber nicht heranreicht.
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