Kritik zu Raya und der letzte Drache

© Walt Disney

Ein weiterer Disney-Animationsfilm mit einer Kriegerprinzessin im Zentrum: In »Raya und der letzte Drache« finden sich viele vertraute Elemente, aber genug Originelles, um Spannung zu erzeugen

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Schon wieder der Schauplatz China, oder hier präziser: Südostasien: der chinesische Markt gewinnt für Hollywood in Zeiten der Pandemie, wo in den USA in zentralen Großstädten Kinos noch immer geschlossen sind, weiter an Bedeutung. Insofern muss es nicht verwundern, dass auf den Realfilm »Mulan« mit dem Animationsfilm »Raya und der letzte Drache« bei Disney jetzt ein Film folgt, der ebenso auf diesen Markt zugeschnitten ist. Dem von dem Unternehmen propagierten Diversitätsprinzip folgend erschien dazwischen der Pixar-Animationsfilm »Soul« mit einem schwarzen Protagonisten. Diversität wird auch bei »Raya und der letzte Drache« großgeschrieben, in der Zusammensetzung des Regieteams, der Drehbuchautorinnen und der Sprecherinnen.

Einst war diese Welt das Paradies, Kumandra, ein Land in der Form eines Drachens, beschützt von Drachen selber. Doch vor 500 Jahren verschwanden die Drachen, das Land zerfiel in fünf Stämme, von denen vier eines gemeinsam hatten: eine ablehnende Haltung gegenüber dem fünften, Herz, denn hier wird das Drachenjuwel bewahrt, das die Balance zwischen den Stämmen bewahren und vor äußeren Feinden schützen soll  – sollte es diesem Land vielleicht gerade deshalb wirtschaftlich so viel besser gehen, fragt man sich anderswo neiderfüllt.

Eigentlich hatte Benja, der Herrscher von Herz, die anderen Stämme zu einem Versöhnungsfest eingeladen, doch bei einem Streit zerbricht der Drachenkristall, jedes der Länder reklamiert es für sich, am Ende hat jedes sich nur ein Stück des Juwels unter den Nagel gerissen. Diese Schwäche der Menschen erlaubt es einer bösen Macht namens Druun sich auszubreiten. Druun hat die Form einer schwarzen Staubwolke, die allen Wesen, die sie berührt, das Leben entzieht und sie versteinern lässt. Bevor auch ihm dieses Schicksal widerfährt, ernennt Benja seine Tochter Raya zur neuen Hüterin der Drachen. Soweit der dramatische Auftakt des Films.

Sechs Jahre später ist aus Raya eine Kriegerin geworden und aus Tuk-Tuk, dem winzigen Spielkameraden, der auf ihre Handfläche passte, ein stattliches Wesen, das sich zusammenrollen kann und dann Raya als Fortbewegungsmittel dient. Rayas Aufgabe: nicht weniger als die Scherben zusammenzufügen, das Versteinerte zum Leben zu erwecken und schließlich Kumandra friedlich wieder zu vereinen.

»Raya und der letzte Drache« löst beim Zuschauer zunächst einmal Déjà-vu-Gefühle aus: nicht nur ist die Protagonistin eine junge Krieger-Prinzessin, auch die Antagonistin ist wie in »Mulan« weiblich. Es gibt furios ins Bild gesetzte kämpferische Auseinandersetzungen bis hin zu großen Schlachtszenen, daneben die menschlichen und vor allem tierischen Sidekicks, die wie gewohnt für den comic relief sorgen, und einen Fluch aus ferner Vergangenheit, der gebannt werden muss. Dazu begibt sich die Protagonistin einmal mehr auf eine Odyssee, die zugleich eine Reise der Selbsterkenntnis wird..

Bei all den vertrauten Motiven und Handlungsmustern weist der Film dennoch genügend Originelles auf, das ihn als eigenständiges, vorwärtsweisendes Werk in der Disney-Tradition erkennbar macht. Da ist zum einen der von Raya zu Beginn ihrer Reise zum Leben erweckte Drache – keines  jener feuerspeienden Ungetüme (wie sie zuletzt dank »Game of Thrones« an neuer Popularität gewonnen haben), vielmehr ist Sisu ein freundlicher; etwas verspielter Wasserdache, der als shapeshifter zudem noch für einige Überraschungen gut sein wird, nicht zuletzt, weil er die Fähigkeiten anderer Drachen in sich aufgesogen hat. In ihm bündelt sich die Magie des Films. Auch die anderen Weggefährten, die Raya im Verlauf ihrer Reise um sich sammelt, sind recht originell ausgefallen, zumal das zweijährige Waisenkind Little Noi, das im Verein mit drei affenähnlichen Wesen, den Ongis, ein Betrüger- und Diebesquartett bildet. Es ist einmal mehr eine Gruppe von Außenseitern, die dem streng militärisch operierenden Gegner Paroli bietet. Dieser wird angeführt von Namaari, Tochter der Herrscherin von Zahn. Bei dem Fest zu Beginn, das sich zum Drama wandelte, war sie es, die sich mit dem Geschenk ihres Drachenamuletts bei Raya einschmeichelte – nur um dann zu versuchen, den Drachenkristall an sich zu bringen.

»Traue niemandem!«, die Erkenntnis Rayas, nachdem sich wieder einmal jemand als ein anderer entpuppt hat als der er sich ausgab, hat ihre Wurzeln in diesem Verrat Namaaris zu Beginn. Wenn in einem Disney-Familienfilm die Protagonistin so etwas sagt, darf man allerdings davon ausgehen, dass sich dies am Ende ins genaue Gegenteil verkehren wird: nur mit Vertrauen, auch zu Fremden, die vielleicht ihre eigene Agenda haben, und nicht zuletzt auch zu jenen, die dieses Vertrauen in der Vergangenheit missbraucht haben, lässt sich das gemeinsame große Ziel erreichen.

Passt das Böse, Druun, das an Stärke gewinnt, wenn sich die Menschen untereinander entzweien und es diese Schwäche ausnutzen kann, in seiner nicht greifbaren Form zur derzeitigen Pandemie, so weist der Film auch eine andere Parallele auf, wenn in den Produktionsnotizen vom »zerbrochenen Land und seinem geteilten Volk« die Rede ist – Begriffe, die einem aus der Politik derzeit höchst bekannt vorkommen. Man könnte auch sagen, »Raya und der letzte Drache« ist der passende Film zur Amtseinführung von Joe Biden.

»Raya und der letzte Drache« soll mit der Kinoöffnung in Deutschland dort zu sehen sein, seit 5. März ist er bereits auf Disney+ als Stream verfügbar, allerdings nur als Premium-Angebot mit zusätzlichen Kosten.

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