Kritik zu Rabbi Wolff
Ihren neuen Dokumentarfilm widmet Britta Wauer ganz dem in Berlin geborenen und dann als Journalist in London tätigen William Wolff. Der spät zum Rabbiner Gewordene erweist sich als inspirierender Vermittler mit Unterhalterqualitäten
Man könnte meinen, dieses keck verschmitzte Gesicht mit dem riesigen Lächeln schon immer gekannt zu haben. Wer weiß, vielleicht stimmt das ja fast, und wir haben William Wolff wirklich früher einmal gesehen: die älteren von uns etwa bei Werner Höfers »Internationalem Frühschoppen« damals, wo der deutschsprachige Londoner Journalist oft zu Gast war. Jüngere vielleicht bei einem Gedenktag in Rostock oder Schwerin. Oder in Britta Wauers Film »Im Himmel, unter der Erde« über den jüdischen Friedhof Weißensee, wo er einen Gastauftritt hatte.
Jetzt hat die Regisseurin den nordostdeutschen Landesrabbiner gleich für ein ganzes Filmporträt gewonnen. Ein Format, das der zierliche Mann ohne weiteres mehrfach füllen könnte. Nicht nur weil der 1927 an der Spree geborene und nach früher Flucht mit den Eltern in Amsterdam und England aufgewachsene Jude mit 53 Jahren noch einmal vom Journalisten zum Rabbiner umgesattelt hat und dann ausgerechnet in den deutschen Osten zurückgekehrt ist. Es ist auch die einnehmend offene und heitere Persönlichkeit, mit der der bekennende Zeitungsjunkie und offensichtliche Messie bei jeder Lebensäußerung verzaubert und ansteckt.
Die Filmemacherin Britta Wauer begleitet Rabbi Wolff über drei Jahre lang beim Pendeln zwischen seinem Häuschen im ländlichen Südengland und den jüdischen Gemeinden von Rostock, Schwerin und Wismar, in denen nicht deutsch oder hebräisch, sondern russisch gesprochen wird. Dafür hat sich der über 80-Jährige noch einmal eine Sprachlehrerin genommen. Fit hält er sich mit Yoga und Fastenkuren in Bad Pyrmont. Und obwohl Willy Wolff seine Arbeit mit sichtbarem Enthusiasmus betreibt, bekennt er offenherzig, dass ihn auch die mangelnde Alterssicherung zum beruflichen Weitermachen treibt. Noch eine in großer Offenheit verhandelte Schwäche: dass es ihm in all den Jahrzehnten nicht gelungen sei, vom Dauersingle zum Familienvater zu werden und so die biblische Forderung nach Vermehrung zu erfüllen.
Erstaunlich, denn der charmante Rabbi ist auch im hohen Alter von freundschaftlich zugewandten und mit ihm um die Wette kichernden meist jüngeren Frauen geradezu umzingelt und dem guten Leben nicht abgeneigt, wie ein Ausflug zum Pferderennen nach Ascot samt Zylinder und Wettverlust zeigt. Dieses reproduktive Versagen gibt wohl den nötigen Hauch von Melancholie in einen ansonsten rundum aufbauend gestimmten Film. Irritierend allerdings doch, wie auch die Bedrohung durch rechte Umtriebe vom Rabbi eher nebenbei abgehakt wird. Aber das ist wohl das Gegenstück der Dauerfröhlichkeit.
Gegen Ende geht der Film dann doch etwas in die Breite, wenn Wauer mit Wolff auf eine Never-Ending-Tour zu Verwandten und Freunden geht und in gefühlt jeder zweiten Szene eine neue Bauchbinde mit Namens- und Ortsangaben (das nervt!) eingeblendet wird. Hier wäre weniger mehr gewesen. Aber vielleicht gehört auch solcher Überschwang einfach zu dem kleinen quirligen Mann, dessen wohlgestimmte Attitüde Leben und Religion gegenüber sogar Agnostikern Lust auf Gott machen kann.
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