Kritik zu Policeman

© Gmfilms

2011
Original-Titel: 
Ha-Shoter
Filmstart in Deutschland: 
25.10.2012
Sch: 
L: 
105 Min
FSK: 
16

Zwei Welten, eine Gesellschaft: Nadav Lapid porträtiert in seinem Debütfilm die beiden feindlichen Seiten von Geheimpolizei und Terroristen in sprechenden und genau beobachteten Details

Bewertung: 4
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Israels Kampf gegen die Palästinenser lenkt von den sozialen Verwerfungen im Land selbst ab. Eben deshalb widmet Nadav Lapid seinen Debütfilm diesem Thema und geht dabei nicht nur inhaltlich, sondern vor allem formal bemerkenswerte Wege. Der Autorenfilmer schildert in der ersten Hälfte zunächst den Alltag einer Antiterrorgruppe, um daraufhin in der nächsten Hälfte gewaltbereite politische Aktivisten zu porträtieren. Mit der Geiselnahme einer Industriellenfamilie wollen diese israelischen Boheme-Terroristen auf die Schere zwischen Arm und Reich aufmerksam machen. Filmisch wird ein solcher Konflikt zwischen zwei Gruppen üblicherweise durch die Parallelmontage unterstrichen. Lapid teilt seinen Film jedoch bewusst in zwei lange Blöcke. Es entsteht so eine hypnotische Ruhe, aus der heraus die verschiedenen Milieus mit dokumentarischer Genauigkeit vorgestellt werden.

Wenn Yaron, Leitwolf einer Eliteeinheit, sich um seine Frau kümmert, dann wirkt dies zunächst zärtlich. Auf den zweiten Blick zeigt die stets in langen, statischen Einstellungen beobachtende Kamera jedoch, dass er die Hochschwangere im Grunde wie einen Fetisch behandelt. Diese Distanz in der Nähe zur Frau spiegelt sich in weiteren minuziösen Betrachtungen der Machorituale, bei denen die Männer sich immer einen Moment zu lange umarmen und zu ostentativ auf die Schultern klopfen. Ihre Nibelungentreue täuscht über einen misslungenen Einsatz hinweg, für den ein krebskrankes Gruppenmitglied die Alleinverantwortung übernehmen soll – damit die anderen ihren Job behalten. Dass Yaron nebenbei mit einer Kellnerin fremdgeht, macht ihn nicht sympathischer.

Seine Figur ist aber ebenso wenig eine Karikatur wie die der Terroristen, die von einer hoch über der Stadt gelegenen Designerwohnung aus eine blutige Aktion planen. Ihr Verhältnis zu den »unterdrückten Menschen«, als deren Sprachrohr sie sich verstehen, zeigt eine der schönsten Szenen: Die an die Rote Armee Fraktion erinnernden Revoluzzer treffen auf einen Straßenmusikanten, der dilettantisch vor sich hinfiedelt. Einer der Aktivisten leiht sich dessen Geige und legt los wie Yehudi Menuhin. Applaudierende Passanten werden zum Zahlen ermahnt. Diese Karikatur meines Rollentauschs erwächst aus dem schlechten Gewissen des Privilegierten, der seine Ausbildung zum Virtuosen auf Kosten der Armen erhalten hat. Das humorlose Pathos dieser Klassenkämpfer, deren Gruppendynamik durch unterdrückte erotische Sehnsüchte bestimmtwird, ist dick aufgetragen, aber dennoch stimmig gezeichnet.

Ihr finales Zusammentreffen mit Yarons Eingreiftruppe ist zwar lang vorhersehbar, dann aber doch überraschend umgesetzt. Lapid zeigt die Schießerei, indem er sie nicht zeigt. Statt auf Action setzt er auf nuancierte Zeichnung seiner Figuren und kompensiert so das geringe Budget seines Films mit Beobachtungsgabe. So gelingt ein vielschichtiger Film, der sich nicht auf eine einzige Lesart festlegen lässt. Er zeigt den sozialen Riss in der Gesellschaft, entlarvt aber auch den bewaffneten Klassenkampf als Kopfgeburt. Ein beklemmend düsteres Sittenbild, in dem es nichts Versöhnliches und keinen Hoffnungsschimmer gibt.

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