Kritik zu Parchim International

© Neue Visionen

2015
Original-Titel: 
Parchim International
Filmstart in Deutschland: 
19.05.2016
L: 
90 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Lehrstunde zur Globalisierung: Die Filmemacher Stefan Eberlein und Manuel Fenn begleiten den Plan eines chinesischen Unternehmers, den alten Flughafen bei Parchim in ein internationales Drehkreuz zu verwandeln

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Parchim ist eines jener adrett restaurierten Städtchen in Ostdeutschland, in denen die Alten übrig bleiben und die Jungen abwandern, um woanders Arbeit und Perspektive zu finden. In der weiten Seenlandschaft zwischen Hamburg und Berlin gelegen, ist die Gegend gut für die beschauliche Erholung, aber der wirtschaftliche Aufschwung lässt auf sich warten.

»Parchim International«, eine Langzeitbeobachtung der Münchener Filmemacher Stefan Eberlein und Manuel Fenn, dokumentiert mit viel Feingefühl für die skurrilen Absurditäten ihres Sujets, wie ausgerechnet hier die unterschiedlichen Geschwindigkeiten chinesischer und deutscher Investitionsträume aufeinanderprallen und in eine unendliche Geduldsprobe münden. Die stärksten Bilder dieses Dramas mit Serienpotenzial: ein globaler Unternehmer aus China, der sich in allen Weltzonen unermüdlich mit Dauerlaufen fit hält und doch steckenbleibt, im Gegenschnitt dazu ein Mümmelhase, der auch Jahre nach dem großen Deal das umstrittene Terrain für sich reklamiert.

2007 tauchte der reiche Mann mit großen Plänen in Mecklenburg auf. Das Kraftpaket Jonathan Pang betreibt mit seinem Konzern äußerst profitabel vornehmlich afrikanische und arabische Flughäfen, eine diffuse Zuneigung für Europa gab ihm ein, nun auch den einst von Hitlers Soldaten, dann von der Roten Armee und schließlich kümmerlich privat genutzten Parchimer Flughafen für 30 Millionen Euro zu erwerben. Viermal mehr Euros sollten in den Ausbau als Drehkreuz für den internationalen Frachtverkehr fließen. Doch dann sprangen chinesische Finanziers ab, musste unverhofft die Landebahn saniert werden, und auch ein richtiger Tower anstelle des provisorischen Containers ließ auf sich warten. Pangs Nutzungskonzepte wechselten je nach Weltmarktlage. Der Flugverkehr stagniert immer noch kümmerlich, dieweil Pang nun eine Wohlfühlzone für konsumfreudige chinesische Charterfluggäste in Angriff nimmt. Mit der touristischen Logistik und der prallen Duty-free-Zone sollen auch die Arbeitsplätze kommen. Die Gesichter des kleinen Bodenpersonalteams sprechen Bände, wenn Pangs beredter deutscher Berater das Blaue vom Himmel herunter verspricht. Glauben können sie es erst, wenn in diesem Sommer vielleicht doch der erste Charterbetrieb beginnt.

Business als Lebenssinn, aufgeben gilt nicht. Der Mann aus China spiegelt, was umgekehrt auch deutsche Unternehmer an grenzüberschreitenden Geschäften reizt, nur funktioniert sein Development-Trieb in der gemächlichen bürokratischen Bewahrungskultur hier nicht so ungebremst wie in anderen Ländern. In »Parchim International« begleiten die Filmemacher den Mann mit dem Rollkoffer um den Globus. Die Stärke ihres Films liegt in der auf Kommentar verzichtenden Empathie für beide Seiten dieser unmöglichen Geschichte. Sie kommen dem aus bäuerlicher Armut aufgestiegenen Businessman nahe, indem sie seine freimütig ausgebreitete Version kapitalistischen Konsums mit den Bildern voller Straßen und schnell hochgezogener Wohntürme in Peking verbinden.

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