Kritik zu Paranoia – Riskantes Spiel

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Vom vorläufigen Ende des amerikanischen Traums erzählt Regisseur Robert Luketic am Beispiel seines temporeichen Business-Thrillers

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Der amerikanische Traum beschränkt sich nicht nur auf das berühmte Märchen vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird, sondern eignete sich bis vor kurzem auch als Motivationspeitsche für weitaus bescheidenere Ziele. Ein Haus, ein Auto, ein paar materielle Vorzüge. Mehr nicht. Hauptsache, irgendwo ankommen in der Gesellschaft. Doch damit ist es, wenn man dem Protagonisten in »Paranoia« glauben möchte, für junge Leute vorerst vorbei. »Früher hast du nach 15 Jahren harter Arbeit ein Büro mit deinem Namen auf der Tür bekommen. Diese Zeiten sind vorüber«, sagt Adam Cassidy (Liam Hemsworth). Der juvenile Smartphone-Experte steht am Hudson River und blickt sehnsuchtsvoll hinüber aufs andere Ufer nach Manhattan, wo die Gebäude der dollarschweren Multikonzerne in den Himmel ragen. Er will da rein, stellvertretend für die ganzen anderen Talente seiner Generation auf der Welt, die um Praktika betteln müssen oder höchstens ein paar befristete Arbeitsverträge ergattern.

Joseph Finders gleichnamige Romanvorlage, erschienen 2004, nahm bereits vorweg, wie sich in diesem Vakuum moralisch fragwürdige Möglichkeiten auftun: Adam kann Mobilfunkmogul Nicholas Wyatt (Gary Oldman) bei einem Bewerbungs-Meeting mit seinen Ideen zwar nicht beeindrucken, doch der Konzernboss erkennt, dass er die frustgetränkten virilen Schübe des Jungspunds locker in kriminelle Energie umwandeln kann. Der Plan: Adam soll beim Konkurrenzunternehmen seines Langzeitfeindes Jock Goddard (Harrison Ford) ausspionieren, welches Super-Handy der als Nächstes auf den Markt bringen will. Das erinnert in Versatzstücken an das einstige Gerangel zwischen Bill Gates und Steve Jobs: Zwei Tech-Visionäre, deren Egos zu groß waren, um gemeinsam in einem Raum miteinander zu sein.

Es ist schön mitanzusehen, dass Harrison Ford hier mal wieder eine Rolle ausfüllen darf, die ihm ein bisschen mehr abverlangt, als nur zerknirscht zu gucken. Zu einem stilvollen Dialogflorett mit Gary Oldman kommt es bedauerlicherweise aber nur an einer kurzen Stelle im Film, denn der gockelhafte Zoff zwischen den beiden alternden Handy-Ikonen bestimmt allenfalls die Rahmenhandlung.

Primär ist »Paranoia« ein Film für die Facebook- Generation, die Regisseur Robert Luketic (»Natürlich Blond«) hier mit allerlei Schauwerten beeindruckt: Zum einen sind da die materiellen Verheißungen, etwa als Adam zum ersten Mal sein neues »Dienst-Apartment « betritt, das selbst einen der größten Yuppies der Filmgeschichte, Patrick Bateman aus »American Psycho«, entzücken würde. Amber Heard wird in der Story als Femme fatale eingeführt, man vermutet zunächst Großes, vielleicht dass sie in diesem Grisham’esken Business-Thriller zur neuen Sharon Stone geboren wird. Doch Regisseur Luketic hat einen Film über Stärken und Schwächen verschiedener männlicher Alphatiere gedreht, die Frauen dürfen hier nur äußerlich glänzen. Auf meditative Weise glänzt dafür Richard Dreyfuss als pflegebedürftiger Vater von Adam. Er kann keine große Karriere vorweisen – aber bleibt in diesem Film voll technokratischer Kühle das gute Gewissen und die personifizierte Warmherzigkeit.

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