Kritik zu Orphea in Love

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Mit einem märchenhaften, so bunten wie seelenvollen Opern-Pasticcio kehrt Axel Ranisch nach einigen Fernseh- und Bühneninszenierungen zurück auf die Leinwand

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Axel Ranisch ist ein Hansdampf in allen Gassen: Er dreht mit seiner eigenen Produktionsfirma »Sehr gute Filme« als Regisseur und hat mit Werken wie »Dicke Mädchen« oder »Ich fühl mich Disco« die Strömung »German Mumblecore« maßgeblich mitgestaltet. Zugleich ist er auch als Darsteller tätig, schreibt und inszeniert Hörspiele, Opern und Theaterstücke. 2018 hat er seinen ersten Roman »Nackt über Berlin« veröffentlicht, 2020 gemeinsam mit Devid Striesow ein Buch über klassische Musik, das auf ihrem gemeinsamen Podcast basiert. Nun hat er nach einigen Fernsehfilmen erstmals seit »Alki Alki« (2015) wieder einen Kinofilm gedreht und huldigt auch darin weidlich seiner Liebe zur Klassik und insbesondere zur Oper.

»Orphea in Love« steckt mit dieser Liebe an, selbst wenn man kein Opern- oder Musical-Fan ist. Denn die sehr freie Nacherzählung des Mythos von Orpheus und Eurydike und die zwar sorgfältige, doch hemmungslos eklektische Auswahl an Musikstücken von Händel über Verdi, Puccini und Berlioz bis hin zum Gospel reißt von Anfang an mit. 

Anders als in seinen frühen Filmen, deren Charme zu einem großen Teil gerade ihrer Improvisation und Imperfektion entsprang, geht Ranisch hier mit visueller und inszenatorischer Finesse zu Werk. Schon der stark stilisierte Vorspann mit an Shining erinnernden rückwärts fließenden Strömen von Blut in einem Bühnen-Setting zieht in den Bann, und wenn später mal der Plot ein wenig zu vorhersehbar wird, hilft dem Film entweder ein ironischer Regieeinfall, die brillante Kameraarbeit von Dennis Pauls oder aber die Präsenz der großartigen Darsteller um die nächste Kurve. 

Die estnische Sopranistin Mirjam Mesak bezaubert dabei sowohl stimmlich als auch schauspielerisch in der Hauptrolle der Nele, die sich als Multijobberin zwischen Callcenter und Operngarderobe aufreibt und an Heimweh nach ihrer Heimat Estland leidet. Nur ihre musikalischen Träumereien – als Verzauberung der realen Welt durch güldenes Licht und Gesang inszeniert – entführen sie für Momente aus der Tristesse. Als eines Tages der Operndiva Adela die Stimme wegbleibt und einfach Nele aus dem Publikum heraus ihren Part übernimmt, könnte das ihre große Chance werden, denn der Talentmanager Höllbach wird auf sie aufmerksam – doch dieser verkörpert zugleich die dunkle Seite des Musikbusiness. Nele ist aber sowieso viel mehr von ihrer Begegnung mit dem Streetdancer und Kleinkriminellen Kolya (Guido Badalamenti) eingenommen, in den sie sich sofort verliebt hat, ebenso wie er sich in sie. Ein zauberhaftes Duett zwischen den beiden, als Wechselspiel zwischen Stimme und Körper in einer neonbeleuchteten Unterführung, besiegelt ihre Liebe.

Sie Gesang, er Tanz, sie Orpheus, er Eurydike: Trotz der Leichtigkeit, die hier das Spiel der Gegensätze und Umkehrungen bestimmt, kann das natürlich nicht lange gutgehen. Ein schreckliches Unglück reißt die beiden Liebenden auseinander. Und nun ist es an Nele, in die Unterwelt hinabzusteigen und dort nach Kolya zu suchen. Um ihn wiederzubekommen, muss sie sich allerdings einem dunklen Geheimnis aus ihrer Vergangenheit stellen, das sich zuvor in blutigen Visionen angedeutet hat.

Bis in die Nebenrollen hervorragend besetzt – neben Ranisch-»Regulars« wie Heiko Pinkowski, Frithjof Gawenda und Christina Große glänzen beispielsweise Ursina Lardi als Diva und Ursula Werner als Taschendiebin –, verknüpft »Orphea in Love« souverän das Skurrile mit dem Erhabenen, die großen Gefühle mit herzhaft-ironischen Überzeichnungen. So charmant, wie Ranisch die Grenzen zwischen E und U einreißt, wenn er formstrengen Barockgesang mit Streetdance-Moves kombiniert, so frei geht er auch mit den Gesetzen des Genres Musikfilm beziehungsweise Musical um. Da wird schon mal eine leidenschaftliche Gesangseinlage im Callcenter, kaum angesetzt, von der Chefin mit einem barschen »Ruhe! Hier spielt die Musik!« schon wieder abgewürgt. »Orphea in Love« ist nicht nur eine wunderschöne Liebeserklärung an die Musik, sondern ein Manifest filmischer Freiheit.

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