Kritik zu O Beautiful Night
Der Tod steht vor der Tür: In seinem magisch-bunten Kinodebüt verwandelt Xaver Böhm für seinen Helden den Schauplatz Berlin in eine neoromantische Bilderwelt
Wenn zwei sich küssen, ist immer auch der Tod dabei. In seinem, an den Stil der Neoromantics erinnernden Kinodebüt, »O Beautiful Night«, schickt Regisseur Xaver Böhm, auch bekannt als Zeichner unter dem Künstlernamen Xaver Xylophon, seinen Helden Juri (Noah Saavedra) durch die Nacht des finalen Erlebens. Am Ende wird jemand sterben, soviel ist klar, doch wer, das bleibt eine Überraschung.
Aber der Reihe nach. Juri ist ein Hypochonder. In seiner Slacker-Wohnung träumt er einen in romantische Farben gehüllten Traum von einem schwarzen Raben, der ihm das Herz aus der Brust zu picken droht. Blutrot die Wunde, dunkel die Federn und blitzend der Blick des Vogels. Bei Juri sehen wir nur nackte Panik. Kurz darauf googelt er die Symptome für einen Herzinfarkt. Der Tod steht quasi vor der Tür. Was wie eine Allegorie beginnt, wandelt sich zu einer mysthischen Fantasie.
Das Bild des personifizierten Todes nimmt Regisseur Böhm ernst und führt Juri in eine finstere Spielhalle, wo er dem Tod begegnet. Mit polnischem Akzent und äußerst aufdringlich offenbart er ihm, dass er noch in dieser Nacht sterben werde. Vorher aber, so sei das Gesetz des Todes, werde er noch etwas erleben. Dann schnupft er etwas Kokain von einer kleinen silbernen Sense, die ihm um den Hals baumelt. Ohne Ironie geht es nicht in der düster phantasmagorischen Bilderwelt, die Böhm hier eröffnet.
Juri tritt ein in die surreale Erlebnissphäre zwischen Alltag und Jenseits, und erlebt eine magisch schillernde Reise, in der Lust und Risiko eine Verbindung eingehen. Zwischen russischem Roulette und einer blumigen Peepshow findet er den Sinn des Lebens nicht im Angesicht des Todes, sondern bei einem reinkarnierten Paradiesvogel. Das Leben geht nicht zu Ende, so die unterschwellige Aussage des Films, es ändert nur seine Daseinsform. Wenn sich Juri, der Tod und die Peepshow-Tänzerin Nina (Vanessa Loibl) in einem überaus erotischen Kuss zu dritt vereinen, stolziert die Freundin Betty, die als eben jener Paradiesvogel wiedergeboren wurde, gravitätisch davon. Hier, so scheint es, tritt der Tod lediglich deshalb auf, um alles Sterben für immer zu beenden.
Selten wurde Berlin so neon-bunt verfremdet. Selbst eine im Hintergrund vorbeifahrende S-Bahn wirkt wie ein Spezialeffekt. So macht Kamerafrau Jieun Yi »O Beautiful Night« zu einem visuellen Erlebnis. Auch die Musik, die Böhm zusammen mit Paul Eisenach komponiert hat, zahlt ein auf die magische Stimmung, das kunstvoll-literarische Ambiente und den Danse Macabre des Trios von Eros, Tod und ewigem Leben.
Leider steht die Geschichte ein bisschen sich selbst im Weg. Vor lauter Bildgestaltung geht Böhm die Handlung verloren, die Dialoge schwanken zwischen magischen Sentenzen, die an Derek Jarman erinnern und banalen »Stell-Dich-nicht-so-an«-Sätzen, die kein Ganzes ergeben. Es steckt Vielversprechendes in diesem von Maren Ade und ihrer Produktionsgesellschaft Komplizen Film produzierten Kinodebüt, das ein weiterer Film von Xaver Böhm vielleicht einlösen wird.
Stream [arte bis 25.3.2021]
Kommentare
O beautiful night
Dieser Film hat mich berührt und beschäftigt wie schon sehr lange keiner mehr. Ist dieser Film eine bildgewaltige cineastische Umsetzung eines Opiumrausches? Ich weiss es nicht. Ein psychedelisches Meisterwerk ist es allemal und die Musik könnte passender kaum sein. Was für ein Film.
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