Kritik zu Muzika
Der slowakische Regisseur Juraj Nvota hat mit »Muzika« den erfolgreichsten slowakischen Film aller Zeiten gedreht. Gerechnet wird seit Staatsgründung im Jahre 1993, der Film spielt bezeichnenderweise in der Ära davor
Geschichten von kleinen Männern und ihrem großen Traum sollte man mit Skepsis begegnen. Egal, ob sie in Hollywoodland oder in der ehemaligen Tschechoslowakei angesiedelt sind. »Muzika«, ein slowakischer Spielfilm, der auf der Novelle des 1960 geborenen Schriftstellers Peter Pistanek beruht, ist darin keine Ausnahme. Der kleine Mann, von dem kalkuliert verwuselten Schauspieler Lubos Kostelny mit herzerweichendem Dackelblick verkörpert, hat nichts zu lachen in dem großen Staat, der in dieser Tragikomödie auf den Mikrokosmos einer ländlichen Gemeinde heruntergebrochen wird. Die absurde Handlung nimmt zwar angenehm stimmig Fahrt auf, verliert sich zu ihrem Ende hin jedoch in erotischen Kapriolen.
Martin (Kostelny) haust mit seiner schwangeren Ehefrau in einem ausgebauten Kellerloch. Sein Liebesleben wird durch die mit ihnen Wand an Wand schlafenden Schwiegereltern sanktioniert. Aktivitäten außerhalb der eigenen vier Wände entgehen niemandem, vor allem nicht den Polizisten im Streifenwagen, die schon mal beiläufig einen langhaarigen jungen Mann an der Bushaltestelle einkassieren und mit Kurzhaarschnitt wieder ausspucken. Individuelle Freiheit ist in diesen Zeiten kein schützenswertes Gut. Doch mit einem Saxofon aus zweiter Hand setzt Martin persönliche Akzente im sozialistischen Einheitsgrau. Zu Hause darf er vor der Geburt seines Kindes nicht üben (danach erweist sich seine Musik und die seiner Bandkollegen als probates Einschlafmittel). Er weicht an seine Arbeitsstelle im volkseigenen Wasserwerk aus und spielt, wann immer er es einrichten kann, in der Turbinenhalle – unter den wachsamen Augen und Ohren zweier spionierender Kollegen, die antistaatliche Bestrebungen befürchten. Nebenbei verliebt sich der Romantiker in eine nonkonformistische Femme fatale und verliert im Privatleben den Überblick. Durch seine Bekanntschaft mit einem halbseidenen Musiker, der sich als skrupelloses Organisationstalent im Kontakt mit den staatlichen Stellen erweist, rückt zugleich sein Traum von kreativer Freiheit in der Musikszene in greifbare Nähe.
In der Slowakei avancierte die mit neun nationalen Filmpreisen ausgezeichnete Produktion innerhalb weniger Wochen zu einem Hit. Die parodistische Darstellung der Restriktionen gegen die Musikgruppe, die sich jeden Schritt mit einem staatlichen Freifahrtschein absichern lassen muss, weckt Erinnerungen an die Zeit der Repressionen in der Tschechoslowakei vor dem Umbruch 1989. Die Musik spielt im Film daher eine wesentliche Rolle, wie schon der Titel deutlich macht. In der Synchronisation hat man die Songtexte der Band dankenswerterweise untertitelt, so dass auch die Zuschauer hierzulande in den Genuss der subtilen humorvollen Anspielungen kommen. Für das stereotype Feiern, Zechen und querbeet Vögeln der Protagonisten kann sich vielleicht erwärmen, wer mit den nationalen Gepflogenheiten dieser Zeit vertraut ist.
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