Kritik zu Münter & Kandinsky

© Camino Filmverleih

Marcus O. Rosenmüller erzählt von der Beziehung zweier schwieriger und hochtalentierter ­Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Über die Kunst von Gabriele Münter oder Wassily Kandinsky erfährt man aber nur wenig

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Als »Werke, für die man eine Gebrauchsanweisung braucht« werden die Bilder Kandinskys hier einmal von den Nazis diffamiert. Für »Münter & Kandinsky« werden wir keinerlei Gebrauchsanweisung brauchen, immerzu erklärt der Film sich selbst. Und wir müssen ihm die Frage stellen, ob denn das, was er selbst als Kern großer Kunst proklamiert – Notwendigkeit, Unerhörtheit der Form, Unmittelbarkeit des Ausdrucks –, für das geldintensive Massenmedium Film so überhaupt nicht gelten darf.

Der Film – Regie führt Marcus O. Rosenmüller, das Drehbuch stammt von Alice Brauner – begleitet das Reifen Gabriele Münters (Vanessa Loibl) zur Künstlerin zwischen 1901 und 1916 und ihre fruchtbar-verhängnisvolle Liebesbeziehung zu Wassily Kandinsky (Vladimir Burlakov), dem gefeierten Pionier abstrakter Kunst. Er spannt den Bogen vom Kennenlernen als Studentin und Dozent (dem das Machtgefälle sichtlich schmeichelt) in München, dem engen Engagement in den Künstlergruppen Phalanx und Neue Künstlervereinigung München sowie dem Blauen Reiter bis zum letzten Treffen der beiden im Stockholm des Ersten Weltkrieges. Kandinsky hält Münter mit Heiratsversprechen hin, beschwört das Antibürgerlich-Verwegene ihrer Liebe, denn eigentlich ist er in seiner Heimat Moskau noch im Ehestand – und wird dort wieder heiraten, ehe er den Kontakt zu Münter abbricht. Dass es keine Gabriele Kandinsky geben wird, ist von Beginn an klar.

Ein arger Heuchler also, ein in seiner Unentschlossenheit hilfloser Wendehals mit Stimmungsschwankungen, und doch genialisch und brüsk in seinem Schaffen. Auch Münter ist kein Liebchen; bisweilen patzig und verstiegen weiß sie sich und ihre Kunst zu behaupten und zu verkaufen, auch wenn sie im Schatten des Vergötterten steht. So gelingt dem Film eine glaubwürdige Beziehung zweier Schwieriger, von denen eine viel mehr leidet als der andere, aber niemand zum Monster oder zur Märtyrerin stilisiert werden muss. Einiger Aufwand wurde in die Authentizität des Drehbuchs gesteckt, viele Sätze sind nach Münter und Kandinsky zitiert oder ihrem Schriftverkehr entnommen.

Die frei umherziehende Kamera markiert permanent Aufbruch und Freiheit, und doch kommt der Film steif und verkrampft daher. Immerzu wird sich ausgesprochen: Figuren erklären einander, wer sie sind und was sie vorhaben, proklamieren wie gedruckt ihre Kunstideale, schildern, wie die historische Situation für Frauen gerade aussieht, und so weiter und so fort. Das ist nervtötend didaktisch. In wenigen Momenten der Einkehr, wenn gemalt wird oder bei einem Konzert von Schönberg etwa, findet der Film zu sich selbst und lässt einen etwas von anbrechender Moderne spüren. 

Beinah hämisch macht »Münter & Kandinsky« sich lustig über ein historisches Kunstpublikum, dem nichts Ungewohntes zuzumuten war, während er selbst ganz lehrerhaft die Nacherzählung einer Liebschaft liefert, in der zwar ständig über Kunst gesprochen wird, jede Idee von ihr aber eigentlich längst zu den Akten gelegt wurde.

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