Kritik zu Monsieur Chocolat
In seiner vierten Regiearbeit setzt der Schauspieler Roschdy Zem dem ersten schwarzen Clown der Zirkusgeschichte ein Denkmal und entwirft ein Bild vom alltäglichen Rassismus im Paris der Belle Époque
Was zählt mehr bei einer Clownsnummer? Die Abfolge der Gags, die Choreographie der Missgeschicke? Oder das Wesen der Akteure? Clown zu sein, sagte der große Komiker Pierre Étaix einmal, ist keine Funktion, sondern ein Zustand. Die Leere der Manege, in der sich die Nummer zuträgt, gibt ihm recht: Sie repräsentiert die Reinform des Spektakels, ist das Sinnbild einer existenziellen Erfahrung.
Footit (James Thiérrée) und Chocolat (Omar Sy) sind ein gut funktionierendes Gespann. Die Rollen des Weißclowns und des Dummen August sind eindeutig verteilt: Der eine stellt eine Autorität dar, verkörpert die Vernunft, während der andere als Instinktwesen erscheint und als Prügelknabe dient. Dieses Machtgefälle geht schon in Ordnung. Würden sie sich bei ihren komischen Konfrontationen auf Augenhöhe gegenüberstehen, hätte das Publikum wenig zu lachen. Überdies ist Footit ein begnadeter Lehrmeister seines Partners. »Das ist lustig«, unterweist er ihn bei ihrer ersten Probe, »aber es schafft noch keine Situation.« Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet ist seine Dominanz jedoch schwer erträglich: In ihr manifestieren sich die Vorurteile des Publikums der Belle Époque, das sich seinen Partner nur als infantiles Triebwesen vorstellen mag. Denn Chocolat, der eigentlich Rafael Padilla heißt und als Kind kubanischer Sklaven aufwuchs, braucht keine Schminke, um von den Zuschauern als Neger identifiziert zu werden.
Roschdy Zems Film behält die Doppeldeutigkeit des Clowns stets im Blick: Er erzählt die Geschichte des ersten schwarzen Zirkuskünstlers, dessen tragische Bestimmung es war, dem Lachen nie entkommen zu können. »Monsieur Chocolat« rekonstruiert ein denkwürdiges Schicksal, das fast vergessen war, bis der Immigrationsforscher Gérard Noiriel es wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rief. Padilla war ein Publikumsliebling seiner Epoche, der von Toulouse-Lautrec gezeichnet und von den Brüdern Lumière gefilmt wurde. Der Gesellschaft präsentierte er sich als kecker Dandy, der Erfolg bei den Frauen hatte und mit seinem Automobil durch Paris stolzierte. Sein Ruhm und Reichtum forderten ihren Preis: Als Privatperson war er dem alltäglichen Rassismus seiner Zeit ausgesetzt, und er ruinierte sich mit Alkohol und Glücksspiel.
Das Drehbuch von Cyril Gely nimmt sich lässliche Freiheiten gegenüber der historischen Wahrheit: Tatsächlich wurde Padillas athletisches Geschick von einem anderen britischen Clown im Hafen von Bilbao entdeckt; auch hielt sein Ruhm weit länger an, fast 25 Jahre, als der Film suggeriert. Die Nachbesserungen dienen der Geschlossenheit des Films, der sich weitgehend auf die Beziehung der beiden Künstler konzentriert. Zem sentimentalisiert sie nicht. Er hat kein Buddy-Movie um zwei Außenseiter im Sinn, die sich gegenseitig Kraft geben. Der Chaplin-Enkel Thierrée verleiht dem depressiven, uneingestanden homosexuellen Mentor Footit einen durchaus manipulativen Zug. Er spürt, dass das Publikum seinen Partner mehr liebt als ihn. Sy wiederum lässt hinter Chocolats strahlendem Auftreten dessen Ringen um Anerkennung und Selbstwertgefühl aufscheinen. Der Respekt, den Zem ihm erweist, kommt ein Jahrhundert zu spät. Vergeblich ist er nicht.
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