Kritik zu Maigret

© Plaion Pictures

Er schnauft, er verhört Tatzeugen, es arbeitet in ihm: Gérard Depardieu glänzt in Patrice Lecontes neuer, herrlich altmodischer Simenon-Verfilmung als legendärer Kommissar mit Pfeife

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Müdigkeit, Atemnot und Überanstrengung. Darüber beklagt sich der übergewichtige, schwer schnaufende Kommissar bei seinem Freund, dem Gerichtsmediziner (Hervé Pierre). Der Blick des Doktors ist besorgniserregend. Ruhestand, das wäre es, worüber der Patient nachdenken sollte. Doch dann wird eine junge Frau in einem blutverschmierten Abendkleid tot aufgefunden. Mehrfach hat man auf sie eingestochen. Wer war dieses Mädchen? Der Fall weckt bei dem betagten Polizisten schmerzhafte Erinnerungen. Also muss der Ruhestand warten.

Neben Sherlock Holmes, Hercule Poirot und Philip Marlowe ist Maigret die wohl bekannteste literarische Ermittlerfigur. Ersonnen hat sie Georges Simenon. Mit der gelungenen Adaption eines Stoffes aus der Feder des belgischen Autors machte Patrice Leconte gute Erfahrungen: Mit der Simenon-Verfilmung »Die Verlobung des Monsieur Hire« wurde der Franzose 1989 bekannt. Mit »Der Mann der Friseuse« gelang Leconte direkt danach ein Geniestreich. Für sein Historienstück »Ridicule« erhielt er 1997 eine Oscarnominierung. 

Mit einer weiteren Simenon-Adaption knüpft er an seine Erfolge an. Nun schlüpft Gérard Depardieu in die Rolle des legendären Kommissars mit der Pfeife. Eigentlich hat man ihn ja ein wenig zu oft gesehen. In Lecontes neuem Film ist das kein Nachteil. Hier geschieht etwas, das man im Kino selten wahrnimmt: Schon nach kurzer Zeit vergisst man, dass Depardieu ein Darsteller ist. Nichts an seinem Spiel wirkt forciert. Es ist, als tritt der Monteur durch die Wohnungstüre, um den Boiler zu warten. Man fragt sich ja nicht, ob dieser Handwerker seinen Beruf gut darstellt. Man schaut ihm zu.

So ist es mit Depardieu als Maigret. Mit wachsender Neugier verfolgt man, wie der korpulente Ermittler beim Erklimmen einer Treppe tief schnauft. Wie er mit Tatzeugen spricht. Und wie es in ihm arbeitet. Sichtbar werden allmählich die Umrisse der vertrackten Geschichte einer jungen Frau aus dem Schauspielermilieu. Das Schicksal spielte ihr übel mit. In einer kurzen Szene zu Filmbeginn bereitet sie sich auf ihren großen Auftritt vor. Doch der geht furchtbar schief.

Nicht diese Geschichte allein überzeugt, sondern die betont unauffällige Inszenierung. Die ausbalancierte Regie lässt sogar das Flair der 50er Jahre beiläufig erscheinen. Und so sitzt man gebannt wie seit langem nicht mehr im Kinosessel und möchte wissen, wie es weitergeht. Und zwar einfach deswegen, weil an diesem Film so ziemlich alles anders ist als in jenen Dutzendkrimis des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Jenen reißerisch inszenierten Thrillern, die sich mit innovativen Bildideen gegenseitig zu übertreffen versuchen, dabei aber nur eine hektische Form von Langeweile verbreiten.

Das Gegenteil ist dieser Maigret-Krimi. Keinen Moment lang wirkt der Film lärmend oder aufdringlich. Und so braucht man beim Zusehen eine Zeit lang, um zu verstehen: Das ist wirklich großes Kino. Ein wenig altmodisch vielleicht. Aber großartig.

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