Kritik zu Macbeth
Schön ist wüst, und wüst ist schön: Der Australier Justin Kurzel interpretiert Shakespeares Drama mit großem ästhetischem Gewalt- und Schmutz-Aplomb neu. In den Hauptrollen Michael Fassbender als Warlord und Marion Cotillard als seine zerbrechliche Mitverschwörerin
Die Barbarei des Königsmörders und Usurpators kennt keine Grenzen mehr. Die Frau und die Kinder seines nach England geflohenen Gegners Macduff lässt er nicht einfach – wie noch in Shakespeares Tragödie – von gedungenen Mördern umbringen. Er inszeniert die Auslöschung dieser Familie als Spektakel der Abschreckung. Sie werden öffentlich auf einem Scheiterhaufen verbrannt. So weiß jeder seiner vor Angst erstarrenden Untertanen, was ihn und sein Haus erwartet, sollte er einmal Macbeths Zorn erregen.
Der Exzess erweist sich als prägendes Merkmal von Justin Kurzels Macbeth-Verfilmung. Der australische Regisseur treibt nicht nur den Blutrausch des von Michael Fassbender gewohnt unterkühlt gespielten Warlords in immer grausigere Höhen. Er geht auch sonst in jeder Hinsicht zu weit. Selbst der Flammentod einer unschuldigen Familie wird bei Kurzel noch zu einem ästhetisch perfekt ausgeklügelten Tableau: Der Scheiterhaufen im Zentrum des Bildes, darüber ein strahlend blauer Himmel, dahinter die Mauern einer Burg, alles ist virtuos abgestimmt wie in einem klassischen Gemälde. Kurzel wandelt in diesem Moment auf den künstlerischen Spuren von Francisco de Goyas »Die Erschießung der Aufständischen« und Édouard Manets »Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko«.
Der groß inszenierte Mord an Kindern und Frauen wird zum entscheidenden Tabubruch. Dabei kann man natürlich auch an all jene Gräueltaten denken, die gegenwärtig laufend in den Nachrichten vermeldet werden: Macbeth als mittelalterlicher Vorläufer der modernen Tyrannen und Terroristen. Von diesem Augenblick an gibt es auf jeden Fall keinen Weg mehr zurück aus der Unmenschlichkeit. Anders als bei Shakespeare wendet sich Lady Macbeth (Marion Cotillard) daraufhin von ihm ab. Ihr Niedergang bekommt so eine ganz andere Dimension. Nicht mehr ihre Mitschuld an all dem Grauen treibt sie in den Wahnsinn und in den Freitod. Cotillards Lady wird plötzlich selbst zum Opfer ihres Mannes. Am Ende liegt sie friedlich, in Weiß gewandet auf dem Ehebett. Ein höchst bizarres Bild, das fast schon so etwas wie Unschuld suggeriert.
Kurzel schreibt die Tragödie um und verschiebt die Gewichte. Die dämonische Lady Macbeth verwandelt sich in eine Verwirrte, die ihren Mann anscheinend nur in einem schwachen Moment zum Königsmord gedrängt hat. Eine interessante und auch faszinierende Deutung, die durch Marion Cotillards französischen Akzent noch eine weitere Dimension bekommt. Diese so zerbrechlich wirkende Frau ist in der wilden, von Gewalt und Verrat beherrschten Welt der schottischen Thanes eine Außenseiterin. Der Verlust ihres Kindes, den Shakespeare nur andeutet, Kurzel aber gleich zu Beginn auf eine extrem symbolische Weise in Szene setzt, hat sie nur noch mehr isoliert. Der schottische Thron könnte all das verändern. Die Frau des Königs muss nun einmal jeder der Thanes so akzeptieren, wie sie ist.
Kurzels innovative Sicht auf Lady Macbeth ist in sich absolut schlüssig. Nur fügt sie sich nicht ins Gesamtbild ein. Aber das ist nicht weiter verwunderlich. Der australische Regisseur nähert sich der Tragödie tatsächlich Szene für Szene. So entstehen teils äußerst beeindruckende Bilder. Die großen Schlachtszenen mit ihren extremen Zeitlupen und die atmosphärisch sehr dichten Hexenszenen zeugen von einem beeindruckenden Gespür für Dramatik. Doch diese Art der Überwältigungsstrategie, die das Publikum wieder und wieder in Staunen versetzt, lässt den Film schließlich in einzelne Puzzleteile zerbrechen, die nicht ganz zusammenpassen. Also bleibt Kurzel nur eins: Er presst sie mit Gewalt ineinander. Dazu dient ihm vor allem Jed Kurzels (Bruder des Regisseurs) effekthascherischer Score. So versucht er, eine Spannung zu halten, die jede Form von Reflexion ausschließt. Aber auch diese Strategie geht nicht auf. Die einzelnen Szenen und Ideen driften trotz allem fortwährend auseinander.
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