Kritik zu The Killer
Der Auftragsmörder von heute muss googeln können und Yoga machen: David Finchers Thriller unterzieht einen alten Kinomythos einer Grundsanierung, die vor allem in die Details geht
Man kennt den Auftragskiller als Inbegriff der Coolness: Einzelgänger, gut in seinem Job, nach außen stets männlich-beherrscht, von großer erotischer Anziehungskraft. Dieses altmodische Bild unterzieht David Fincher in seinem Thriller einem Modernisierungsprozess, der zuerst noch leicht satirische Züge trägt. So gibt Michael Fassbender als »Killer« im Lauf des Films viele verschiedene Namen an, die sämtlich aus Sitcom-Serien der 70er und 80er Jahre stammen. Seinen Puls kontrolliert er mit einer Apple-Watch, seinen Körper hält er mit Yoga fit, seine Einbruchsutensilien bestellt er bei Amazon und lässt in eine Packstation liefern. In seinen Verstecken hält er Waffen, Pässe und Kleidungsstücke in einer so vorbildlichen Ordnung, dass Marie Kondo vor Freude in die Hände klatschen würde. Seine Kopfhörer trägt er »over ear« und hört ausschließlich The Smiths. Ein ziemlicher Nerd also.
Da passt es, dass man ihn zu Beginn des Films aus dem Off über Langeweile philosophieren hört. Selbige über lange Stunden hinweg auszuhalten, sei eine der Hauptvoraussetzungen für seinen Beruf, bekennt die Stimme, während man Fassbender im oberen Stockwerk eines noch unfertigen WeWork-Gebäudes sieht. Er späht die Luxus-Suite im Hotel gegenüber aus, hat aber während des Wartens viel Zeit, dem Zuschauer im Kino seine lange Liste von »Dos and Don'ts« vorzutragen. Keine Empathie, keine emotionale Beteiligung. »Stick to the plan, anticipate, don't improvise.« Er wisse, wovon er spricht, er habe seine »10 000 Stunden« abgeleistet. Fast hat sein Geschwätz etwas Enervierendes – und dann geht der Plan schief, und er jagt von da an den Dingen eher hinterher, als dass er sie antizipiert.
Fincher ist zu raffiniert, um seinen Film auf den simplen Kontrast einer Selbstüberschätzung zum eigentlichen Geschehen hin aufzubauen. Michael Fassbender bleibt ein erschreckend effektiv vorgehender Killer mit überdurchschnittlichem Talent zur Kaltblütigkeit. Aber zugleich gibt es immer mehr Störungen in dem, was er sein Vorgehen, seinen »Prozess« nennt. Anzeichen von Ungeduld, von Ärger, oh Schreck, von Gefühlen schleichen sich ein. Aber es kommt zu keiner kompletten Demontage. Das schiefgelaufene Attentat hat Folgen; offenbar will man ihm an den Kragen, hat aber zunächst nur seine Geliebte in einer prächtigen Strandvilla in der Dominikanischen Republik erwischt. Sein Rachefeldzug führt in die USA, wo er schließlich Tilda Swinton gegenübersitzt, die während des Whisky-Verkostens fast so geschwätzig wie er ihre Ansichten über den Beruf des Auftragsmordens darlegt.
Aber der Plot, der sich auf einigermaßen ausgetretenen Pfaden bewegt, ist sowieso nicht das, was »The Killer« Spannung verleiht. Letztere nährt sich aus den Details, die Fassbenders Killer zu einem Helden unserer Zeit machen. Dass er seine Ziele googelt und anderen viel Glück beim »Wordle« wünscht, dass er mit beige-weiß-grauer Normcore-Kleidung Unsichtbarkeit erreicht. Das Zeitgemäßeste aber an diesem Killer ist vielleicht, dass an ihm nichts mehr besonders attraktiv erscheint.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns