Kritik zu Jeff, der noch zu Hause lebt

© Paramount Pictures

Wie alles mit allem zusammenhängt: Nach Cyrus werfen die Duplass-Brüder in ihrem neuen Film erneut einen Blick auf den Alltag ganz gewöhnlicher Menschen

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Seit einigen Jahren sorgt in den USA eine Reihe von Filmemachern für Aufsehen, deren Arbeiten sich durch ein extrem geringes Budget, äußerst naturalistisch agierende Laiendarsteller, einen improvisiert anmutenden Inszenierungsstil und betont lebensnahe Geschichten auszeichnen. Schnell fand man – ähnlich wie bei der »Berliner Schule« – eine griffige Bezeichnung, unter der man die Regisseure als eine Art Bewegung subsumieren konnte: »Mumblecore«, eine Anspielung auf die vernuschelte Sprechweise der Laienschauspieler – und ein Charakteristikum, das bei der Synchronisation natürlich komplett verloren geht. Allerdings fand bislang ohnehin kaum ein »echtes« Mumblecore-Werk ,seinen Wein die deutschen Kinos.

Allein die Brüder Mark und Jay Duplass schafften es, auch international größere Anerkennung zu erlangen, wenn auch nur deshalb, weil sie schon bei ihrem dritten Film, der wundervollen Liebesgeschichte Cyrus, mit prominenten, gut verständlichen Schauspielern und einer vermarktbaren Story arbeiteten. Ihr neuer Film, Jeff, der noch zu Hause lebt, kann mit Jason Segel in der Hauptrolle einen veritablen Publikumsliebling vorweisen. Aber dafür ist die Geschichte diesmal deutlich spröder. Im Mittelpunkt steht Jeff, ein Kiffer und Rumhänger, der mit 30 Jahren noch zu Hause bei seiner Mutter (Susan Sarandon) lebt. Der größte Teil des Films erzählt davon, wie Jeff und sein älterer Bruder Pat durch ihre Heimatstadt Baton Rouge hetzen, um Pats vermeintlich untreue Ehefrau zu beschatten.

Diese Miniatur eines Roadtrips dient freilich nur als Aufhänger für eine dezent tragikomische Beobachtung ganz gewöhnlicher Menschen. Inszeniert ist das genauso unspektakulär, wie es klingt. Es gibt weder große Lacher noch besondere Schauwerte, in bestem Mumblecore-Stil kokettieren die Duplass- Brüder geradezu mit einer ausdrucksarmen Ästhetik. Das wiederum passt zum bestenfalls durchschnittlichen Leben der Figuren, die einem zunächst nicht einmal sonderlich sympathisch sind.

Aber auch dieser Eindruck erweist sich als bewusster dramaturgischer Kniff. Jeff etwa wird als schwafelnder Toilettenphilosoph eingeführt, der überzeugt ist, dass sämtliche noch so beiläufigen Alltagsgeschehnisse Mosaiksteine eines kosmischen Ganzen sind. Das klingt nach bedröhnter Pothead-Esoterik, und die Duplass-Brüder zeigen ihren Titelhelden zu Beginn in denkbar bloßstellender Position. Aber der Schein trügt. Im weiteren Verlauf lernt man auch als Zuschauer die Poesie schätzen, die in Jeffs unerschütterlicher Weltsicht steckt. Bei seiner Suche nach Zusammenhängen wandelt er fortwährend auf dem schmalen Grat zwischen Erleuchtung und Idiotie. In jedem Fall aber entdeckt er das Besondere im Beiläufigen, und allein diese Fähigkeit hebt ihn bereits von seiner Umwelt ab. Ähnlich läuft es bei seinem Bruder Pat. Mit einem grauenvollen Kinnbart, Kurzarmhemd und Bundfaltenhose spielt Ed Helms ihn als Inbegriff des Spießbürgers. Aber trotz seiner Selbstüberschätzung und seiner emotionalen Stumpfheit behandeln die Duplasses ihn nicht mit herablassender Ironie, sondern mit Mitgefühl. Am Ende hat sein strampelndes Ringen um Anerkennung und Würde etwas Rührendes.

In dem »Dude« Jeff, dem Spießer Pat, ihrer einsamen Mutter und Pats »desperate housewife « von Ehefrau porträtieren die Duplasses amerikanische Archetypen, die nichts weiter suchen, als ein klein wenig Lebensfreude. Und wie bei so vielem in diesem Film erschließt sich erst auf den zweiten Blick, dass es dabei dann doch um eine ganze Menge geht: zwei entfremdete Brüder, die wieder zueinanderfinden, ein Ehepaar, das einen Neubeginn wagt, eine vereinsamte Frau, die einen unerwarteten Partner findet – und um jede Menge Defizite in Sachen zwischenmenschlicher Kommunikation. Da wird gechattet, abgehört und angesprochen, und doch scheint kaum je einer sein Gegenüber richtig zu verstehen.

Das Sympathische dabei ist, dass die Duplasses ihre Figuren nicht erst durch einen Spießrutenlauf an vermeintlich amüsanten Demütigungen schicken. Wenn man sieht, wie jede von ihnen ganz unaufgeregt ihr kleines, emotionales Glück findet, möchte man sogar von einer »Moral« sprechen. Jeffs überschaubare Welt ist am Ende jedenfalls wieder aufs Schönste im Lot.

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