Kritik zu Independence

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2023
Original-Titel: 
Independence
Filmstart in Deutschland: 
14.03.2024
L: 
93 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Felix Meyer-Christian begleitet eine junge Deutsche mit mosambikanischem Vater auf dem Weg zur Erkundung von Identität und Zugehörigkeit

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In Maputo tanzen ältere Männer mit DDR-Flaggen auf der Straße. Es ist keine Party, sondern eine Protestaktion. Die Männer hatten als sogenannte Vertragsarbeiter in DDR-Betrieben geschuftet, aber nach dem Zusammenbruch des Staates einen Teil des versprochenen Lohns nicht ausgezahlt bekommen. Nun fordern sie die Schulden mit Sprechchören auch in deutscher Sprache (»Wir wollen unser Geld!«) bei wöchentlichen Protestmärschen von der regierenden FRELIMO-Partei, deren Vertreter damals auch die Abkommen mit dem deutschen Teilstaat geschlossen hatten.

Helen Wendt, die mit ihrem Vater eine der Demonstrationen begleitet, ist betroffen – und auch beschämt, weil sie vorher noch nie von dem Konflikt gehört hatte. Wendt ist Deutsche, ihr Vater Mosambikaner, auch er war in der DDR, hatte als Gaststudent jedoch bessere Konditionen. Beziehungen zu Einheimischen waren aber auch ihm streng untersagt. So musste er das Land auf Gebot der eigenen Regierung verlassen, kurz bevor seine mit einer Leipziger Tänzerin gezeugte Tochter 1985 geboren wurde. Doch der Kontakt zwischen Mutter Ilona, dem ehemaligen Geliebten und auch dessen neuer Familie brach nie endgültig ab, so dass diese sogar zum Besuch nach Deutschland kamen. 

Tochter Helen ist zentrale Protagonistin und Erzählerin dieses Films, die Reise ihrer Selbstfindung sein Programm. Dabei ist Mosambik eine wichtige Station. Denn die junge Deutsche hatte lange Zeit die afrikanische Seite ihrer Herkunft negiert, wohl auch, um die von der Mehrheits­gesellschaft immer wieder in Frage gestellte deutsche Identität zu stabilisieren. Jetzt ist es neben der erneuten Begegnung mit Vater, Halbschwester und Stiefmutter in Maputo auch eine besondere Entdeckung für Wendt, selbstverständlich akzeptierter Teil eines größeren Kollektivs zu sein. 

Multikünstler Felix Meyer-Christian setzt in seinem ersten Film Wendts Reise in Beziehung zu Unabhängigkeitskämpfen in Katalonien, Südsudan, Bayern (ja!) und Großbritannien und lässt Vertreterinnen der entsprechenden Bewegungen von Erfolgen und Niederlagen im Ringen um nationale Souveränität berichten. Dabei erweist sich die zuerst provokant scheinende Idee, ausgerechnet zwei Vertreter*innen des britischen UKIP mit ihrem Propagandasprech in diese Reihe aufzunehmen, als kluges Manöver, um die hehren Töne anderer Nationalismen zu relativieren.

Nicht immer sind die Bezüge zwischen sozialen und privaten Bewegungen zündend, regen in ihrer Komplexität aber zum Nachdenken an. Auch für Ilona ist der Emanzipationsprozess ihrer Tochter lehrreich. Nur Vater Fabio – ein Anthropologe – bringt zum Thema Rassismus in Deutschland eine alte Kamelle und rät der Tochter zu »Leistung«. Doch da ist diese längst viel weiter und schafft in einer dialektischen Bewegung die Integration von Autonomie und Kollektiv: »Vielleicht werde ich unabhängig, weil ich zugehörig bin«, sagt sie, als sie am Ende wie Caspar David Friedrichs »Mönch am Meer« am Ostseeufer steht. Für diese Unabhängigkeit werde sie kämpfen.

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