Kritik zu Hundschuldig

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Ein Hund wird angeklagt – und soll sich selbst vor Gericht dafür verantworten. Das Regiedebüt der Schauspielerin Laetitia Dosch ist eine Promenadenmischung aus Satire und Gegenwartsporträt

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Beim dritten Mal ist Schluss mit lustig. Nachdem er die Mitbewohnerin seines Herrchens ins Gesicht gebissen hat und der bösen Tat bereits zwei weitere Vorfälle dieser Art vorangegangen waren, wird Cosmo zum Tode verurteilt. Auf behördliche Anordnung hin soll der Hund eingeschläfert werden. Doch sein Besitzer setzt sich zur Wehr, legt Widerspruch ein und nimmt sich eine Anwältin: Avril Lucciani ist auf hoffnungslose Fälle spezialisiert; genauer gesagt hat sie ein großes Herz und kümmert sich um diejenigen, deren Anliegen im Allgemeinen keine allzu großen Chancen ausgerechnet werden. In Cosmos Fall erreicht sie immerhin, dass der Hund selbst sich verantworten kann, das heißt, es wird nicht über ihn als eine Sache entschieden, die mit einem Defekt behaftet ist, er selbst wird als Lebewesen für sein »Verbrechen« verantwortlich gemacht und angeklagt.

Mit »Hundschuldig« gibt die französische Schauspielerin Laetitia Dosch, die gemeinsam mit Anne-Sophie Bailly das Drehbuch geschrieben sowie die Rolle der Anwältin übernommen hat, ihr Regiedebüt. Angesiedelt ist die Geschichte in einer Schweizer Kleinstadt; zugetragen hat sie sich so ähnlich vor bereits einigen Jahren in einem Dorf in Frankreich. Seinerzeit sorgte ein bissiger Hovawart für Demonstrationen. Die lassen nach Prozessbeginn auch in Doschs wilder Promenadenmischung von einem Film nicht lange auf sich warten: Tierschützer:innen und FeministInnen, Vegetarier_innen und Pazifist*innen, Schaulustige und Profiteure treten auf den Plan und gehen einander an die Gurgel; die einen sagen dies und die anderen sagen jenes, denn alles hat immer weitaus mehr als nur zwei Seiten.

Eine davon ist, dass ein Hund sich nicht in Worten, sondern in Gebell ausdrückt. Das Übersetzungsproblem ist die Spitze des Problem-Eisbergs, der sich im Zuge des Prozesses aus den Untiefen judikativer Bürokratie, divergierender ethischer Auffassungen, ja, aufeinanderprallender Weltbilder erhebt. Fraglich ist auch, ob es sich tatsächlich um eine böse Tat handelt. Schließlich braucht, wer einen Hund, zumal einen ziemlich großen, beim Fressen stört, sich über schmerzhaftes Kontra nicht zu wundern. Mithin ist in »Hundschuldig« von der Akzeptanz der Natur eines (jeden) Lebewesens, das nicht der Mensch ist, die Rede.

Erstem Anschein und nicht weniger wunderlichen Turbulenzen zum Trotz aber hat man es hier nicht mit einer Komödie zu tun. Vielmehr bildet sich in den abrupten tonalen wie rhythmischen Wechseln ein gesellschaftlicher Zustand ab, der von andauernder Übergriffigkeit und permanenter Überforderung geprägt ist. Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt! Eben jener, Cosmo nämlich, wird gespielt von Kodi, der in Cannes für seinen engagierten Beitrag mit dem Palm Dog Award ausgezeichnet wurde. Es ist dies keine gering zu schätzende Leistung, geht es doch bei der Darstellung eines bissigen Hundes mithin um die Balance auf dem schmalen Grat zwischen Beißreflex und Selbstbeherrschung. Mehr der Letzteren täte vor allem den Zweibeinern gut.

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