Kritik zu Harriet – Der Weg in die Freiheit
Der Film zum Namen: Kasi Lemmons liefert das lange fällige Biopic zu Harriet Tubman
Die Underground Railroad und das Sklaven-Biopic sind in der neueren Literatur- und Filmgeschichte untrennbar mit zwei Schlüsselwerken verbunden. Ersteres mit dem gleichnamigen Roman, in dem Colson Whitehead von der Odyssee einer entflohenen Sklavin erzählt und besagte abolitionistische Untergrundorganisation mit magischem Realismus zum Leben erweckt. Was für ein starkes Bild das ist, wenn ein leibhaftiger Zug unter der Erde donnert! Und letzteres hat Regisseur Steve McQueen in »12 Years a Slave« zur Meisterschaft gebracht. Niemals wurde so brutal und ehrlich von einem Sklavenschicksal erzählt und zugleich so drastisch mit der verlogenen Südstaatennostalgie abgerechnet.
In Kasi Lemmons »Harriet – Der Weg in die Freiheit« kommt beides zusammen: Das Biopic erzählt von Harriet Tubman, die als Sklavin floh, sich der Underground Railroad anschloss und zur bekanntesten afroamerikanischen Fluchthelferin avancierte. Etliche Male kehrte sie in die Südstaaten zurück und rettete Dutzende Menschen aus der Sklaverei. »Moses« war der Spitzname dieser Heldin. Was für eine Wahnsinnsgeschichte!
Und genau das macht Regisseurin Lemmons auch aus dem Stoff: eine Wahnsinnsgeschichte, und zwar groß geschrieben und mit drei Ausrufezeichen dahinter. Da wird sogar einmal tatsächlich die biblische Hybris zelebriert: Moses hat wieder eine ihrer göttlichen Eingebungen, dann, theatralischer Blick, teilt sie das Wasser zwar nicht, aber findet einen Weg mitten hindurch, auf dem die befreiten Schützlinge ihr folgen können. Puh!
Der Film setzt ein auf einer Plantage in Dorchester County, Maryland, im Jahr 1849. Dort träumt Sklavin Araminta »Minty« Ross (Cynthia Erivo) von einem Leben in Freiheit mit ihrem Mann und ihrer Familie. Nach dem Tod seines Vaters will Plantagenerbe Gideon (Joe Alwyn) Minty in den Süden verkaufen. Also flieht sie alleine über Wald und Wiesen und schafft es nach Philadelphia, wo sie auf den Sklavenretter William Still (Leslie Odom Jr.) trifft. Sie erzählt ihm ihre Geschichte, bekommt den Namen Harriet Tubman und beginnt nach einem Jahr als Dienstmädchen, weitere Sklaven aus dem Süden zu retten.
Man möchte meinen: Was für eine Chuzpe, aus dem historischen Stoff eine Mischung aus Familiendrama, Passionsgeschichte und Feministinnen-Western zu machen. Nur: Der Film ist ein völlig altbackenes und dramaturgisch holprig in Szene gesetztes Stück Kino. Immer wieder bedeutungsschwangere Blicke, »eloquente« Oneliner wie »Ich will frei sein oder tot« oder »Angst ist dein größter Feind« und dazu die blassblauen Erinnerungsfetzen oder Visionen, wenn Minty einen ihrer Anfälle hat. Ihre Entwicklung zur ballernden Rächerin wirkt ebenfalls hanebüchen.
Die für ihre Rollen für einen Oscar nominierte Hauptdarstellerin Erivo ist der Anker in diesem oft unfreiwillig lustigen Film mit Soap Opera-Anleihen. Sie spielt ihre Rolle nuancierter, als es das Drehbuch vorschreibt. Von einer guten filmischen Auseinandersetzung mit der realen Heldin ist »Harriet « dennoch meilenweit entfernt.
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