Kritik zu Good Night, and Good Luck.
Ein Stück Aufklärung: George Clooneys gelungener Medienfilm »Good Night, and Good Luck.«
Der Journalist Edward R. Murrow nutzte damals das aufstrebende Medium Fernsehen, um trotz aller Widerstände im eigenen Medium gegen Senator McCarthy zu argumentieren. Nicht etwa gegen seine Ansichten, nicht gegen sein politisches Milieu, sondern gegen die Verfälschungen und Widersprüche in seinen Argumentationen und in seinem Vorgehen selbst. Murrow und sein Produzent Fred Friendly riskierten eine Menge, Karriere und sozialen Status eingeschlossen. Die Mechanismen des Fernsehens zu dieser Zeit begünstigten solche Kritik und hoben sie zugleich wieder auf: Murrow brachte mit seinen politischen Sendungen dem Sender CBS zwar hohe Einschaltquoten, aber keine Werbeeinnahmen. Deswegen wird seine Arbeit eine Zeit lang geduldet, bis sich abzeichnet, dass die Macht des Senators gebrochen ist und das Land zu einer gewissen Normalität zurückkehrt. Dann aber obsiegen die Interessen der Sponsoren und die Wünsche des Publikums nach unterhaltenden Game Shows. Mit dem Senator verschwindet auch sein Gegner von der politischen Bildfläche.
Schon auf den ersten Blick besticht Clooneys zweite Regiearbeit durch ihre stilistische Reinheit. In diesem low-key-Schwarzweiß-Film, in dem Wert auf jedes Detail in Ausstattung und Technologie gelegt ist, geht es weniger um ein Erzählen (und schon gar nicht um heroisches, melodramatisches Erzählen) als vielmehr um ein dokumentarisches Revivre einer gesellschaftlichen Schlüsselsituation. Diese Situation ist selbst so stark, dass sie keinerlei Überhöhung, keine Abschweifung und keine Unterfütterung benötigt. Nur den Mut, sich konsequent auf sie einzulassen. Wieder bezieht Clooney seine Ästhetik aus einer stilistischen Referenz. In seinem Spielfilmdebüt »Confessions of a Dangerous Mind« hatte er ganz offen Bezug genommen auf die medienkritischen Filme der siebziger Jahre, von Mike Nichols oder Sidney Lumet. Hier indes benutzt er die Ästhetik der kritischen, rauen Dokumentarfilme aus den sechziger Jahren, wie sie D.A. Pennebaker oder Robert Frank drehten. Auch »Primary« von Robert Drew, die vom Cinema Verité inspirierte Dokumentation über Kennedys Vorwahlkampf in Wisconsin, wird einige Male direkt zitiert. Der Stil dieser Dokumentation besteht vor allem in einer Nähe zu den Menschen und zu den konkreten Geschehnissen. Und er enthält ein politisches Modell. Weder geht es um abstrakte Machtbeziehungen und undurchschaubare Verschwörungen noch um die großen Einzelnen, die Politik machen in einer Sphäre weit von den staunenden Massen entfernt. Es geht vielmehr um Schlüsselsituationen, in denen es Entscheidungen, Methoden, Allianzen und Urteile gibt. Und jeder Mensch, von oben wie von unten, kann in solche Schlüsselsituationen des Politischen kommen. Deshalb vermeidet Clooney nicht nur die Mythologie eines Biopic - wir sehen sehr genau die Situation, in der sich Murrow und seine Mitarbeiter befinden, wenig bis nichts aber wird über ihre Backstory und ihr Gefühlsleben vermittelt -, er vermeidet auch den heroischen Thrill einer Geschichte des Musters "Außenseiter gegen Mehrheit".
Natürlich spürt man in Clooneys Filmen den biografischen Bezug. »Confessions of a Dangerous Mind« war deutlich inspiriert von Erfahrungen und Ratschlägen seiner Tante, der Sängerin Rosemary Clooney, und »Good Night, and Good Luck« ist auch eine Untersuchung über die Profession des Vaters, Nick Clooney, der einst Nachrichtenredakteur und Talk-Show-Gastgeber war, sich als Politiker versuchte, 2004 vergeblich als Kongressabgeordneter kandidierte und schließlich desillusioniert vom Medium war: "Er hörte auf, als die Nachrichten immer weniger mit Information und immer mehr mit Unterhaltung zu tun hatten." Aus diesen Erfahrungen erklärt sich am ehesten die Mischung aus Zärtlichkeit und Resignation, mit der Clooney seinen Medienleuten bei der Arbeit zusieht.
David Strathairn, den man aus den Filmen von John Sayles kennt, zeigt eine ungeheure Präsenz in der Darstellung eines Menschen, der sich eine Aufgabe gestellt hat und vollkommen in ihr aufgeht. Aber auch die anderen Darsteller, Clooney selbst, der sich ganz zurücknimmt in der Rolle des Produzenten Fred Friendly, Robert Downey Jr. und Patricia Clarkson als Joe und Shirley Wershba, die verbergen müssen, dass sie miteinander verheiratet sind, weil die Firmenpolitik Verbindungen von Mitarbeitern untersagt, oder Ray Wise als Kollege, der die Hexenjagd nicht übersteht, spielen gleichsam "dokumentarisch". Sie zeigen Verhalten, Interesse und Entscheidung in einer Situation, die für sie vollkommen offen ist. Ohne die transzendentale Gewissheit des Genre-Helden und ohne die Entschuldigungen des psychologischen Realismus.
Die Figuren sind fiktiv-dokumentarisch, nur eine, die zweite Hauptfigur sozusagen, ist ganz und gar sie selbst: Senator McCarthy wird ausschließlich in Dokumenten präsentiert. Das hat einen einfachen Grund: Keinem Schauspieler würde man glauben, dass jemand einst so auftreten und damit durchkommen konnte. Doch der formale Trick ist auch rhetorisch von Bedeutung: Tatsächlich kann sich jemand wie McCarthy nur selbst entlarven, ansonsten würde jene neue Rechte, die ihn bereits rehabilitieren möchte, auf eine Denunziation verweisen. Und Clooney macht gerade das perfekt, weil er es fair und behutsam macht. Auch insofern ist »Good Night, and Good Luck« im Vergleich zur Brachial-Kritik von Michael Moore ein enormer Schritt. Clooney lässt dem Zuschauer stets genug Raum, sich selbst zu orientieren. Ihm ist ein hübsches Stück kinematografischer Aufklärung gelungen.
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