Kritik zu Ginger & Rosa

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Die Geschichte einer Mädchenfreundschaft, die an den Klippen des Erwachsenwerdens scheitert. Über Sturm und Drang im Jahr der Kubakrise 1962, das man politisiert oder ganz privat erleben kann

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Das helle Lachen Gingers, ihre mitreißende strahlende Erscheinung mit dem wehenden, kupferroten Haar, das den Namen Ginger vor sich hertreibt – das allein macht den neuen Film von Sally Potter sehenswert. Aber es geht um Ginger und Rosa, zwei Freundinnen, ein Gegensatzpaar, nicht nur in der äußeren Erscheinung, unterstrichen durch die dunkelhaarige, zurückhaltendere, älter wirkende Rosa. Aber sie sind am gleichen Tag geboren, als der Atompilz steil über Hiroshima stand und sich ihre Mütter im Londoner Wochenbett die Hände reichten. Sie sind unzertrennlich vom Augenblick ihrer Geburt an.Ein Mädchenpaar, ein Frauenpaar.

Potter hat die Eckdaten 1945 und 1962 festgelegt, um die Politik, die globale Angst, die 1962 mit der Kubakrise einen neuen Höhepunkt erreichte, in ihrem Film fest zu verankern, auch um ihr Credo »Das Private ist politisch « zu untermauern. 1962 sind die beiden 16 Jahre alt, rauchen die erste gemeinsame Zigarette, schielen zu den Jungs an der Jukebox, entdecken aber auch ihre Unterschiede. Die Erzählperspektive bleibt bei Ginger (Elle Fanning), der Dichterin und Denkerin, die sich politisiert, sich der Antiatombewegung anschließt, im Gegensatz zu Rosa (Alice Englert, Tochter von Jane Campion), die dem althergebrachten Frauenbild folgt und ihre Erfüllung allein in der Liebe sucht. Zwischen den beiden steht der angehimmelte Vater Gingers, Roland (Alessandro Nivola), ein Philosoph, Libertin und Pazifist, der für seine Überzeugungen schon im Gefängnis saß. Mit der Verführung Rosas treibt er die Mädchen endgültig auseinander und seine Tochter Ginger in die Verzweiflung. Die Geschichte sieht einfach aus, trägt Züge eines Lehrstücks, wie immer bei Sally Potter.

Ginger, fulminant gespielt von der erst 14-jährigen Amerikanerin Elle Fanning, trägt Züge von Sally Potter selbst, dem Werdegang einer Kämpferin, die im linken Milieu aufwuchs, mit zehn schon gegen die Bombe marschierte, mit 16 das Elternhaus verließ und anfing, Kurzfilme zu drehen, die mit ihren feministischen Filmen Frauen- und Kinogeschichte schrieb; dafür steht nicht nur ihr größter Erfolg, der aufwendige Kostümfilm Orlando (1992), der unter Mitarbeit von Tilda Swinton entstand. Sally Potter ist, anders als viele Mitstreiterinnen von damals, immer noch da. Sie kämpft weiter um ihre Filmprojekte, um die »Sichtbarkeit von Frauen« auf der großen Leinwand in einem mittlerweile »extrem konservativen Klima« (Potter), was nicht ohne Kompromisse geht. Ginger & Rosa konnte möglicherweise nur entstehen, weil es ein »einfacher Film« werden sollte. Keine raffinierten Erzählkonstrukte wie in Yes oder Rage, stattdessen eine gefällige Handkamera, eine warmherzige, romantisch aufgeladene Atmosphäre, die jedoch stets von politischen Positionen durchwirkt bleibt und deutlich gegen die Doppelmoral linker Provenienz und die Laschheit der Mütter protestiert, ohne die patriarchalischen Muster dahinter aus den Augen zu verlieren. Das Glücksgefühl, das dieser Film trotz seiner tragischen Wende hinterlässt, verdankt sich nicht zuletzt jenem Hoffnungsschimmer, der jeden Sally-Potter-Film überhaupt möglich gemacht hat.

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