Kritik zu Emmas Glück
Skurrile Tragikomödie von Sven Taddicken
»Hab ich dir doch versprochen. Es tut nicht weh.« Auf die sanfteste, zärtlichste Art schlachtet Emma ihre Schweine. Sie spielt und schmust mit ihnen – dann plötzlich ein schneller, professioneller Schnitt. ... Nein, »Emmas Glück« ist kein Film für Vegetarier, und auch mancher Fleischesser mag sich schwertun mit der Schlachterlogik. Wenn schon gestorben werden muss, besagt diese Logik, dann auf Emmas sanfte, schmerzlose Art. Es ist eine sehr eigenartige Idylle, die der Film entwirft.
Auch eine Hochzeit gibt es, wie im Märchen – eine Hochzeit allerdings, bei der die Braut den Bräutigam über die Schwelle trägt. Solch eine Episode ist meist Teil einer derb-komischen Erzählung, nach dem Muster "Männlein heiratet Walküre". Wenn allerdings Emma (Jördis Triebel) Max (Jürgen Vogel) in ihr Bauernhaus trägt, hat das einen ebenso komischen wie bitteren Geschmack: Max hat Krebs und ist als Folge der Krankheit zum schwachen Männchen abgemagert; und Emma ist auch deshalb so stark, weil sie als allein lebende Bäuerin von klein auf ihren Mann stehen musste. Die Mischung aus zum Teil drastischer Komik und Tragik – beispielsweise kotzt Max seiner Braut beim Über-die-Schwelle-Getragenwerden über die Schulter – ist das Kennzeichen des Films wie des ihm zugrunde liegenden Romans von Claudia Schreiber. Sven Taddicken hat ihre Geschichte vom Liebesglück einer Schweinezüchterin mit einem Todkranken verfilmt und nach Mein Bruder der Vampir (2001) erneut gezeigt, dass er ein Händchen für skurrile, surreal eingefärbte Geschichten mit melancholischem Grundton hat.
Der kranke Max fällt Emma buchstäblich vor die Füße. Nachdem er im Krankenhaus sein Todesurteil erfahren hat, dreht Max durch, beklaut seinen besten Freund und flieht mit dessen Jaguar auf regennasser Landstraße. In einer hypnotischen Szene kommt er von der Straße ab, überschlägt sich und landet in Emmas Vorgarten. Verführerisch ist die Montage aus in Zeitlupe zersplitterndem Glas, Max' entrücktem Gesicht und durch die Luft wirbelnden Teilen zu Zarah Leanders »Schlummerlied«. Und wenn Hans nicht wäre, Max' Freund, der Max nach seinem Unfall verfolgt, könnte man die folgende Geschichte für einen Nahtod-Traum halten, so surreal muten die Farben an auf Emmas Bauernhof, so traumhaft auch ist Max' weiteres Schicksal.
Dieser Mann, der sich im Leben mit wenig Glück zufrieden gegeben hat, bekommt ein von Liebe umschmeicheltes Sterben geschenkt, in einem etwas verschmuddelten bäuerlichen Paradies, in dem die sinnenfrohe Emma haust wie eine wilde Fee. Emma hat kaum Kontakt zu den Dorfbewohnern, dafür den besten Draht zu ihren Tieren und holt sich ihren Orgasmus beim rumpeligen Ritt auf ihrem alten Motorrad. Ein Mann und ein Haufen Geld sind das, was ihr zum Glück noch gefehlt hatten. Claudia Schreiber, die auch am Drehbuch mitgearbeitet hat, erzählt, dass sie sich bei ihrer Heldin von Pippi Langstrumpf hat inspirieren lassen: von der Vorstellung davon, wie Pippi wohl als Erwachsene geworden wäre.
Dass sich direkt neben der Bundesstraße eine so verwunschene Welt auftut, muss man uns im Film allerdings erst einmal glauben machen – man spürt die Kraftanstrengung, etwa in der betont »märchenhaften« Farbgebung. Emmas Gnadenhof strahlt manchmal wie die Rama-Idylle, wird glücklicherweise jedoch immer wieder geerdet durch saftige Details.
Der deutsche Film sucht in der Provinz eben gerne das Skurrile. Wo das Ländliche jedoch zur Karikatur wird, wenn etwa Emma das Gewehr auf den Dorfpolizisten, ihren einzigen Verehrer (eindringlich: Hinnerk Schönemann), richtet, wird das empfindliche Gleichgewicht von Komik und Tragik gestört – nicht alle Einfälle in diesem Film passen zusammen. Das spürt man auch in der Figur der Emma; drall und stark wie ein Mann soll sie sein, sexy, sinnlich, sehnsüchtig, selbstbewusst, weltfremd und lebensweise, dabei zum Verrücktwerden einsam. Jördis Triebel gelingt diese Mischung nicht immer, wobei schwer zu sagen ist, ob das an ihrer mangelnden Filmerfahrung liegt oder am Regiekonzept. Etwas Künstliches strahlt diese Emma aus – ihre Drallheit wirkt genauso behauptet wie ihre Weltfremdheit. Erst wenn sie Max lieben darf – eine Liebe, die Sven Taddicken märchenhaft in Sommerfarben ausmalt – findet sie zu sich, ist schön und stark und verwurzelt in der Welt: Gerade die Richtige, einen Mann über die Schwelle zu tragen.
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