Kritik zu The Elephant King

© Maxximum Filmverleih

Der eine will den anderen in die Welt einführen, der andere den einen nach Hause holen: Zwei amerikanische Brüder, jeder auf seine Weise eine verlorene Seele, versuchen sich im schwülen Klima Thailands gegenseitig zu retten

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Dies ist ein schöner Film über das Scheitern. Er beginnt mit den Bildern eines Tellerwäschers, vor dem sich das schmutzige Geschirr ins Unermessliche stapelt. Oliver, so heißt der junge Mann mit großer Brille und wenig Ambition, hat nicht das Zeug zum Aufsteiger US-amerikanischer Prägung – sonst hätte ihn Autor und Regisseur Seth Grossman sicher nicht zum Helden seines ersten Langfilmes gemacht. Denn ihn interessiert die Anatomie des Misslingens und die Zwangsläufigkeit, mit der sie die Menschen erfasst.

Von Oliver und seinem Bruder Jake erzählt Seth Grossman mit bittersüßem Fatalismus. Jake dröhnt sich im Nirgendwo einer thailändischen Kleinstadt zu, sein bevorzugter Aufenthaltsort ist eine blaue Luftmatratze inmitten eines Swimmingpools, dort raucht und trinkt er und schaut seinen gekauften Geliebten zu. Sein Bruder soll ihn aus diesem wunschlosen Unglück zurück zur verständnislosen Mutter holen, doch auch Oliver gerät in den Sog der Schwüle. Sein erster Sex, die ersten Drogen und der erste Liebeskummer lassen den lebensfremden »Nerd« aufblühen. Die kurze Euphorie der ungleichen Brüder gipfelt im Kauf eines Elefanten, der fortan mit ihnen am Swimmingpool abhängt. Es ist eine Euphorie auf Pump, so schön und so falsch wie der Tand der »Ladyboys«, auf die Jake im Zweifel auch schon mal zurückgreift.

Regelmäßige Telefonate mit der zwischen Güte und Panik schwankenden Mutter deuten an, dass der pralle Eskapismus der Söhne die Folge einer dunklen Vergangenheit sein könnte. Die von einer miserabel gelifteten Ellen Burstyn verkörperte Mutter versichert mal den einen, mal den anderen Sohn seiner jeweiligen Verkorkstheit – wofür wohl genau jene Traumata verantwortlich sind, deren bloßer Erinnerung sich die beiden entledigen möchten.

Grossmans unaufdringliche Kunst zeigt sich in einer nuancierten, vorsichtigen Metaphorik: Die schmutzigen Teller, der allmählich verendende Elefant, die so betörende wie abgetakelte Exotik der Tempel und Nachtclubs – alle Symbolik mündet immer wieder in die Realität der zwei Brüder, die den jeweils anderen retten wollen, wo sie schon an sich selbst verzweifeln. Glück ist, wo sie nicht sind.

Glück ist aber auch dort, wo ein junger Filmemacher in der Lage ist, Nähe herzustellen: zu seiner Geschichte, seinen Figuren, seinen Schauplätzen, die – hier wie dort – allesamt Fluchtpunkte einer verlorenen Generation sind. Wenn die verlorenen Söhne am Ende beschädigt in den wunden Schoß der Familie zurückkehren, ist vor allem eines klar: Auch hier wird die Hölle los sein. Die Mutter, selbst eine Gescheiterte, triumphiert am Ende und mit ihr die Unmöglichkeit, sich neu zu erfinden. Die Geschichte von Jake und Oliver singt Grossman als trauriges Lied, arrangiert zum Klang einer so betörenden wie berührenden Schicksalsmelodie. Wie sagte Barbara Stanwyck in Fritz Langs »Clash by night«? »Home is, when you run out of places . . . «

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