Kritik zu Ein Hologramm für den König

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Tom Hanks entdeckt als gescheiterter Businessman die existenzielle Leere in der saudischen Wüste: Regisseur Tom Tykwer verwandelt Dave Eggers gleichnamigen Globalisierungsroman in eine Feelgood-Dramödie

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Dave Eggers ist aktuell der Lieblingsautor aller amerikanischen Hipster, die um die 30 sind und zum ersten Mal die 68er-Ideale ihrer Eltern nun auch auf ihr eigenes Leben anwenden wollen: gesunde Ernährung, Konsumkritik, go green. Aber bitte nicht so naiv wie einst die Hippies, sondern mit mehr Geschäftserfolg. Eggers' Roman »Ein Hologramm für den König« erzählte von den Tücken der globalisierten Welt – oder anders formuliert: von den unverdaulichen Nebenwirkungen, die der zwanghafte Wunsch nach Utopie und Moderne auslösen kann. Im Mittelpunkt der Erzählung steht Alan Clay (Tom Hanks), der hier als personifizierte Old Economy herhalten muss. Einst ist er mit seiner Geschäftsidee von voll verchromten Fahrrädern ein paar Jahre ganz gut gefahren und musste schließlich mit ansehen, wie ihn die Konkurrenten vom Markt schubsten, weil er sich zu lange weigerte, seine Produktion ins billigere Ausland zu verlegen und den neuen Spielregeln des Kapitalismus zu folgen.

Der Strohhalm, an den Clay sich klammert, ist ausgerechnet ein Job in der New Economy. Sein jüngster Businesstrip stellt gleichzeitig eine letzte Chance dar, um das angespannte Verhältnis zum Chef zu verbessern. In Dschidda soll er als Vertreter einer amerikanischen Firma dem saudischen König ein holografisches Telefonkonferenzsystem verkaufen. Die Stadt am Roten Meer will zum neuen Dubai werden. Businesstempel, Einkaufszentren, schöne neue Welt: die Wüste als Sehnsuchtsort für arabische Träume. Doch der König will einfach nicht auftauchen – und Alan Clay sucht fortan vergeblich nach der Stopptaste in der Zeitschleife seines missverständlichen Lebens. Es ist das unvermeidliche Zeichen zur richtigen Zeit, denn in ihm wohnt eine große Leere. Alan ist hochverschuldet, geschieden und entfremdet von seiner erwachsenen Tochter. Das Hologramm bleibt ein Hologramm, das echte Leben ist irgendwo anders.

Für seine erste Filmhälfte findet Regisseur Tom Tykwer noch ein wunderbares Timing, um die »Lost in Translation«-Momente seines Protagonisten einzufangen. Ein Businessman in der leeren Wüste begibt sich auf hohe Fallhöhe; die Uhren ticken ganz anders, als es Alan aus seiner Heimat gewohnt ist. Tykwer schickt seinen Protagonisten mit bester Absicht in dieses imaginäre Hamsterrad, doch Tom Hanks dankt es ihm bedauerlicherweise nur mit dem immer selben Gesichtsausdruck des Angewidertseins, den man bereits aus der »Wetten, dass…­«-Sendung kennt, als ihn Moderator Markus Lanz aufforderte, die Wettschuld mit Sackhüpfen zu begleichen. Es grenzt an Tragik, dem eigentlich so vielfältigen Tom Hanks dabei zuzusehen, wie er daran scheitert, seinen Charakter mit Tiefe und Authentizität auszustatten. Was wohl auch an Tom Tykwers Drehbuch liegt, denn ernüchtert muss man feststellen, dass er alle kontroversen und provozierenden Stellen aus der Romanvorlage glattgebügelt hat. Das konfliktträchtige Verhältnis zu Tochter und Exfrau weicht hier einem versöhnlichen Ton, auch Clays akute Existenzängste werden lediglich mit ein wenig Schnappatmung illustriert.

Ähnlich wie Sofia Coppolas »Somewhere« erzählt auch »Ein Hologramm für den König« schlussendlich von der großen Leere. Ein schneller, gewitzter und bildgewaltiger Regisseur wie Tom Tykwer hat sich mit dieser Verfilmung deshalb keinen Gefallen getan. Die Leere kann er atmosphärisch nicht so recht füllen, als zum Nachdenken anregende Sozialkritik aber bietet der Film wiederum zu wenig Drama.

Mit Spannung darf man derweil auf eines der kommenden Projekte von Tom Hanks schauen, der sich als Produzent und Darsteller die Rechte an einem weiteren Roman von Dave Eggers gesichert hat. Im Bestseller »The Circle« (Filmstart 2016) geht es um eine beunruhigende nahe Zukunft, in der eine Corporation namens »Circle« die Funktionen von Facebook, Google und Apple übernommen hat und die totale Überwachung und Weltherrschaft anstrebt.

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