Kritik zu Die unerschütterliche Liebe der Suzanne
Teenagerschwangerschaft, schlechte Gesellschaft und Gefängnis – Sara Forestier, der Star aus »Der Name der Leute«, spielt in diesem minimalistischen Familiendrama ein Mädchen, das keine Zukunft zu haben scheint
Mit 17 wird Suzanne Mutter, mit 20 verliebt sie sich in den falschen Typen, haut ab und landet im Knast. Und das ist nicht der letzte Kummer, den sie der geliebten Schwester Maria und ihrem Vater Nicolas, der die beiden Töchter allein aufgezogen hat, bereiten wird. Doch in ihrem zweiten Spielfilm gelingt es Katell Quillévéré, das Klischee eines haltlosen Mädchens, das mit bestürzender Folgerichtigkeit auf die »schiefe Bahn« gerät, subtil zu brechen. Sie erzählt die sich über zwei Jahrzehnte erstreckende Chronik der proletarischen Kleinfamilie als Abfolge rauer Vignetten. In kurzen Begegnungen, oft im Transit, im Bus, Gefängnis, auf Raststätten, kristallisiert sich, meist nur mittels Gesten, Blicken und Umgebung, das Wesentliche heraus; den Rest muss man sich zusammenreimen.
Die elliptische Schilderung, frei von Sentimentalität und entlastendem Moralisieren, erinnert statt an ein tristes Sozialdrama an eine Ballade. Denn obwohl Suzannes unberechenbares Verhalten geradezu von vegetativer Hirnlosigkeit getrieben scheint, so verleiht die familiäre Konstellation, im psychoanalytischen Sinn, ihrem Tun dennoch eine untergründige leitmotivische Struktur. Diese entfaltet erst beim zugleich tragischen und hoffnungsvollen Ende, in jenem Moment, in dem die Loserin ihre erste erwachsene Entscheidung triff, ihre ganze Wirkung.
Sara Forestier scheint zunächst ihre narrenfreie Rolle aus Michel Leclercs Komödie »Der Name der Leute«, in der sie mit allerlei Blödmännern ins Bett geht, um diese zum richtigen linken Bewusstsein zu bekehren, aufzugreifen. Auch als Suzanne stürzt sie sich mit großen Kinderaugen und wirrem Haar – nun mit strähnig herauswachsender Blondierung – in eine prekäre Affäre mit einem Kleinganoven. Doch mit ihrer Anmutung einer Schlingpflanze, die sich vom Wind an den nächstbesten Stamm wehen lässt, wirkt diese Frauenfigur authentischer und interessanter als Leclercs alberne Männerfantasie.
Suzannes unverbrüchlicher Halt ist Maria (Adèle Haenel). Im Teenageralter tritt Maria mit ihrem raubauzigen Temperament zwar als die männlich-halbstarke Hälfte des verschworenen Schwesternduos auf. Doch sie wandelt sich zur stoischen Trösterin des Vaters und verzichtet selbst auf eine Beziehung. Papa, ein wortkarger Brummifahrer (François Damiens) reagiert mit Zorn, Verzweiflung und schließlich Abwendung auf Suzannes Eskapaden. Dann gibt es noch ihren Sohn Charlie, der in einer Pflegefamilie aufwächst – und natürlich Julien (Paul Hamy), den sexy »voyou« mit Hundeaugen und dem verführerischen Charme eines Muttersöhnchens. Alles an ihm schreit Alarm, und doch wird er zu Suzannes Leitstern. Oder nutzt sie ihn schlicht als Instrument, um ihrem Dasein einen Sinn zu verleihen?
So kann der Film auch als Studie über Frauen, die sich wider besseres Wissen bis zur Selbstaufgabe an kriminelle Männer binden, betrachtet werden. Doch die klarsichtigen Überlagerungen von romantischer »amour fou«, trister Realität und familiärer Verbundenheit verleihen dem kleinen Drama unerwarteten Tiefgang und eine fast lyrische Qualität. Man hat das seltene Gefühl, dem Leben bei der Arbeit zu zusehen.
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