Kritik zu Die eiserne Lady
Das Biopic über »die eiserne Lady«, wie sie in der Sowjetunion tituliert wurde, würde Margaret Thatcher so sicher nicht gefallen. Auch bei uns ist eine gespaltene Zuschauerschaft zu erwarten
Die Frage, wer Margaret Thatcher wirklich war, stellt sich mit Meryl Streep und aus der »Demenzperspektive«, die der Film gewählt hat, völlig neu. Die Erfinderin der New Economy, die heute aus gesundheitlichen Gründen in absoluter Zurückgezogenheit lebt, gilt als Urheberin der Deregulierung sowie einer unbarmherzigen Spar- und Steuerpolitik. Von der Linken wurde sie schon immer mit Häme bedacht, wenn nicht gar als Monster betrachtet. Für die Rechte ist sie nach wie vor eine Heldin. Tatsächlich hat sich Margaret Thatcher – als Frau und als Politikerin – mit eiserner Hand durchgesetzt und wurde dafür drei Mal gewählt, ein moderner Rekord.
Die 1925 geborene Margaret Thatcher war eine klassische Aufsteigerin. Sie ließ den Krämerladen ihrer Eltern hinter sich, studierte – auf Stipendium – Chemie in Oxford, diente sich in der Partei nach oben und schaffte es dank ihres unerschütterlichen Selbstvertrauens, 1975 zur Parteiführerin der Konservativen und 1979 zur ersten Premierministerin Großbritanniens gewählt zu werden. Ob eine Frau vor lauter Ehrgeiz und Durchsetzungskraft über kurz oder lang die soziale Kompetenz verliert? Das Thema »Gefühlskälte« streift der Film mit einem Seitenblick auf Margarets Mutter in der Küche, die ihrer klugen Tochter die Anerkennung sichtlich verweigert. Wenn Thatcher später wegen eines Termins einfach ihren Zwillingen davonfährt und vom Zuschauer als lieblose Mutter abgestraft wird, ist dieser vielsagende Augenblick längst vergessen.
Die im Film von Anfang an demente, doch noch selbstbewusste Thatcher, die Gespräche mit ihrem längst an Krebs verstorbenen Mann Denis führt, schwächt das Bild der rücksichtslosen Karrieristin erheblich ab. Denis, ein erfolgreicher Geschäftsmann, der in der Öffentlichkeit als Clown galt, spielt den Tröster und Spaßvogel, der ihre herrischen Posen nachahmt und ihrem Fortkommen keinen Widerstand entgegensetzt. Es wäre schwieriger gewesen, eine Figur zu entwerfen, die wirklich in der Zwickmühle zwischen Privatleben und politischer Galionsfigur steckt. Eine Antwort darauf, wer Margaret Thatcher wirklich war, darf man von diesem Film jedenfalls nicht erwarten.
Das Frauenteam – Phyllida Lloyd (Regie), Abi Morgan (Drehbuch), Justine Wright (Schnitt) – lässt, unterstützt von einer bewundernswert feinsinnigen Meryl Streep, die mühelos vierzig Jahre Lebenszeit durchläuft, eine emanzipierte Frau hochleben, die, vom Weichzeichner geschönt, auch im Alter eine stattliche Figur abgibt. Ihre Auftritte als Regierungschefin bleiben jedoch – anders als bei ihren entsprechenden Amtskollegen in The Queen oder The King’s Speech – auf wichtige strategische Ereignisse begrenzt (Falklandkrieg, Bombenattentate der IRA).
Stattdessen schwelgt der Film in Blautönen, zeigt Thatcher im kobaltblauen Kostüm als einzige Frau unter Männern – ein Gruppenbild, das bei uns seit Angela Merkel zur Alltagserscheinung geworden ist. Sie hält die Fäden fest in der Hand, als Regierungschefin und als Gattin, Mutter und Hausfrau, aber Freunde hat sie sich offenbar keine gemacht.
Regisseurin Lloyd spricht von einer »Margaret- Thatcher-Symphonie« und stilisiert sie unter den Klängen von »Casta Diva«, dann ganz in Rot, zur tragischen Opernheldin. Als Referenztitel fällt auch Shakespeares »King Lear«. Doch die tief pessimistische Studie über Macht beschwört die Zweifel an der bestehenden Ordnung und an der zivilisierten Natur des Menschen. Für den entfesselten Widerstand auf Englands Straßen sorgt hier nur das Archivmaterial, das Biopic erstarrt im Respekt vor einer »unglaublich starken Frau«, gibt sich angeblich ausgewogen oder verlässt sich auf die versöhnliche, unterhaltsame Fiktion, wo man eine klare Sicht auf die Dinge, auch offene Parteilichkeit, erwartet. Meryl Streep gibt sich bei alledem keine rührseligen Blößen und bewahrt das »weepie« vor dem Tränenfluss der Zuschauerinnen.
Der Film zeigt – leider von Anfang an – die Einsamkeit einer alten Frau, einer Überlebenden, die ziellos in ihren Erinnerungsfetzen umherwandert, allerdings noch sehr klar auszudrücken versteht, was im Leben zählt: die Ideen, nicht die Gefühle. Und damit mag sie – wenn es hier auch nur ausgedacht ist – zuletzt doch recht behalten.
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