Kritik zu Der Klang der Stimme

© Mindjazz Pictures

Der Schweizer Bernard Weber porträtiert in seinem von viel Musik getragenen Dokumentarfilm vier Personen, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit der menschlichen Stimme befassen

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Die Bilder, mit denen dieser Film anfängt, sind faszinierend, ein bisschen unheimlich aber auch. Es sind bewegte Schwarz-Weiß-Aufnahmen eines Kopfes im Profil. Eine Besonderheit dabei: Man kann in ihn hineinsehen, bis zu Luftröhre, Zunge und einem kräftig bewegten Kehlkopf. Die andere Besonderheit: Der Kopf trällert eine Arie. Entstanden sind die Aufnahmen, das sehen wir später, in einer Art MRT-Röhre. Verantwortlich für sie ist (neben der Sängerin selbst) der Freiburger Phoniatrie-Facharzt und Chorsänger Matthias Echternach, der mit solchen und anderen Untersuchungen weiter zur Aufklärung der immer noch reichlich vorhandenen Rätsel der menschlichen Stimme beizutragen hofft.

Die junge Sopranistin Regula Mühlemann singt solo und im Duett, beim Stimm­unterricht erzählt sie von ihrer Vision, einen Ton zu erzeugen, der als 360-Grad-Rundum-Klang ungerichtet im Raum schwebt. Übertragen kann man so ein Hörphänomen in den Stereoton eines zweidimensionalen Films nicht. Aber sichtbar wird das akustische Phänomen, wenn wir die Sängerin bei einer Singübung sehen mit einer Kerze in der Hand, deren Flamme trotz heftiger ­Koloraturen kaum flackert. Auf offensicht­lichere Art experimentell ist der Jazzmusiker ­Andreas Schaerer in der langen Tradition von Stimmakrobatik zwischen Ernst Jandl und Al Jarreau. Er kann einen Laubbläser oder das Rattern von Rollkoffern mit seinen Lippen nachahmen und tritt in verschiedenen Kombinationen mit immer anderen Musikern auf.

Und dann ist da noch die Stimmpädagogin Miriam Helle, die Workshops und sogenannte Stimmmeditationen an den unterschiedlichsten Orten organisiert und leitet. Das bewegt sich im Film zwischen betreutem Gruppensingen mit Tanz und Arthur Janovs Urschreitherapie aus den 1970ern. Manchmal überschreitet das die Grenze zur ungewollten Parodie, etwa wenn Helle einem vor der Geburt stehenden Paar in ihrer Behandlung mit auf den Weg gibt, »gemeinsam auf der Welle der Wehe zu reiten«.

In der Schweiz gibt es eine lange und starke Tradition von Dokumentarfilmen, die sich mit Musik beschäftigen, in Stefan Schwieters »Heimatklänge« (2007) ging es konkret um den Ausdruck der menschlichen Stimme. Hier knüpft offensichtlich der Film des altgedienten Schweizer Filmemachers Bernard Weber an. Es braucht in dem kommentar- und erklärungslosen »Klang der Stimme« ein bisschen, sich in den wechselnden Settings und Orten zurechtzufinden. Aber das macht nichts, weil die starke Kamera und eine flüssige Bild- und Musik-Montage durch die Szenen tragen.

Besonders schön – nur leider viel zu kurz – sind die Szenen, in denen die Künstler mit ihren Stimmen gemeinsam vor einem großen Video-Screen Alltagsgeräusche nachsynchronisieren. Überzeugend, weil sehr persönlich, sind auch die Stellen, in denen sie vom Glück und vom Flow schwärmen, den der stimmliche Ausdruck bei der Arbeit ihnen bedeutet.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt