Kritik zu Der Architekt

© Reverse Angle Pictures

Sensibles Spiel mit altbekannter Struktur: Ina Weisse inszeniert in ihrem Debütfilm ein verschneites Familiendrama, das den Zerfall thematisiert, ohne dass dabei die Scherben klirren

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Der tote Held im Straßengraben ist als Bild ebenso banal wie das geheimnisvolle, schneebedeckte Bergdorf. Die ferne Stadt ist der Ort des Erfolges, das Land Ort des dunkel Triebhaften. Es gibt zahllose Filme, die sich dieser Stadt-Land-Struktur bedienen, um Angst, Schuld und Selbstbetrug zu thematisieren – doch wenige gehen dabei so behutsam und gekonnt vor wie Ina Weisse in ihrem Debütfilm. Hier sind die inszenierten Banalitäten Teil eines bewussten Spiels mit Erwartungen; man erfährt nicht immer, was man braucht, und wird so Teil der spannungsvollen Atmosphäre, die der Film erzeugt.

Georg Winter, preisgekrönter Architekt jenseits der Midlifecrisis, fährt mit seiner Familie von Hamburg ins Allgäu, um seine Mutter zu beerdigen. Dabei begegnet ihm seine Vergangenheit in Form eines 19-jährigen jungen Mannes, der mehr der Enkel seiner Mutter war, als dass er sein Sohn ist, doch reicht diese Begegnung, um die fadenscheinigen Bande der Kleinfamilie reißen zu lassen. Am Schluss ist nichts mehr vorhersehbar.

Ina Weisse setzt sich auf erfrischende Weise von den klischeebewährten Bergfilmen ab. Die Sprachlosigkeit ihrer Figuren lässt sie in stillen Bildern enden, in schneeverwehten Berglandschaften, die in ihrer Farblosigkeit fast bedrohlich wirken. In diese Bilder fügt sie ihr Figurenensemble ganz unaufwendig ein. Sie verlässt sich nicht auf die phänomenale Ausdruckskraft Josef Bierbichlers, sondern nutzt sein untertouriges Spiel, seine fast endogene Melancholie und den lakonischen Blick, der keine Fixpunkte mehr kennt. Während Caroline Link in ihrem psychologischen Drama »Im Winter ein Jahr« alles um die Figur Bierbichlers ansiedelte, setzt Weisse mehr auf das Ensemble. Nicht nur darin, sondern auch in der Art, wie Josef Bierbichler spielt, erinnert »Der Architekt«an Hans Steinbichlers »Hierankl«. Wie eine winterliche Version dieses Familiendramas in den Bergen ist »Der Architekt« eines der besonderen Debüts des letzten Jahres.

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