Kritik zu Das Imperium

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Nach der Mediensatire »France« liefert der französische Auteur Bruno Dumont eine Space-Operette mit reichlich selbstreferenziellen Momenten. Das Ganze hat auf der Berlinale polarisiert. Kann man aber auch gelassen sehen

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Ein Fischerdorf an der nordfranzösischen Küste. Wirklich pittoresk ist es hier nicht, die Arbeiterklasse strauchelt und längst gehören Smartphones und getrennt lebende Eltern zum monotonen Alltag. Jony (Brandon Vlieghe) lebt vom Fischfang, doch viel bleibt nicht im Netz. Soweit sozialrealistische Tristesse, wie man sie vom europäischen Arthousekino erwartet. Als dann Jonys alte Mutter mit ihrem Enkel­baby auf dem Arm aus dem Haus kommt, kniet der Mann plötzlich vor seinem kleinen Sohn Freddie nieder und senkt das Haupt wie vor einem Gebieter. Kurz danach macht Line (Lyna Khoudri), sonst vor allem mit sich und Selfies beschäftigt, dasselbe. Die merkwürdigen Anzeichen häufen sich, und langsam dräut es, dass doch nicht alles naturalistisch-weltlich zugeht. Der Säugling ist tatsächlich ein apokalyptischer Dämon und Jony hohes Tier einer intergalaktischen Sekte namens Nullen, die das Universum zerstören will. Und im Ort soll nun der Endkampf ausgetragen werden mit einem weiteren Alienvolk, den guten Einsen, die sich wie ihre Erzfeinde der Körper der menschlichen Dorfbewohner ermächtigt haben und den Weltuntergang verhindern wollen.

Der 66-jährige Franzose Bruno Dumont, zuletzt mit der Mediensatire »France« im Kino, verbindet den naturalistischen Existenzialismus, für den er mit Filmen wie »L'humanité« und »Flandres« lange bekannt war, hier mit Science-Fiction-Elementen; »Das Imperium« treibt ein Spiel um Mythen und Genrekonventionen, das eine Mischung aus Weltraumoperette und Star Wars-Satire ergibt. Da wird im Vorgarten des Eigenheims Laserschwertkampf geübt, ein Rentner in lächerlich kurzen Hosen verwandelt sich in den außerirdischen Superbösewicht Belzébuth (ein grimassierender Fabrice Luchini im Harlekinkostüm) oder es schwebt ein imposantes Raumschiff durch die unendlichen Weiten des Alls, wie man es aus zahlreichen SF-Filmen kennt. Nur dass sich die Oberflächenstruktur des Spaceships konkretisiert, vom Abstrakten zum Sakralen, bis eine Kirche erscheint. Das ist die Art von Humor, mit der Dumont arbeitet, wie schon in »Die feine Gesellschaft« oder der Miniserie »Kindkind«: Er lässt das Grandiose auf das Gewöhnliche prallen, das Heilige auf das Profane. 

Einige Elemente sprechen dafür, dass Dumont hier eine Art Multiversum baut, mit Verbindungen zu früheren Filmen. Das Küstendorf ist dasselbe wie in »Kindkind« und »Quakquak und die Nichtmenschen«. Der Baby-Heiland erinnert an Dumonts Debüt »Das Leben Jesu« von 1997, Dumont nennt »Imperium« das Sequel.

Während man sich knapp zwei Stunden verwundert die Augen reibt, bleibt die Frage, wie es Dumont gelungen ist, für seinen intergalaktischen Blockbuster-Scherz mit teuren Spezialeffekten so viel Geld zu bekommen. Bei der Berlinale im Februar ließ »Das Imperium« im Wettbewerb viele ratlos, einige gar wütend zurück. Am Ende wurde der Film mit dem Preis der Jury ausgezeichnet. Wie im Film selbst scheiden sich auch vor der Leinwand die Geister. Und das ist ja nun kein Weltuntergang.

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