Kritik zu The Apprentice – The Trump Story
Ali Abbasi rekonstruiert mit Sebastian Stan in der Hauptrolle die frühen Jahre des als »bösartiger Narzisst« diagnostizierten Donald Trump, als er beim ruchlosen Rechtsanwalt Roy Cohn »in die Lehre« ging
Der Psychologe und Johns-Hopkins-Universitätsdozent Dr. John Gartner ferndiagnostizierte einst Donald Trump. Der Ex-US-Präsident leide, so Gartner, unter »bösartigem Narzissmus«, einem Zustand, der drei pathologische Komponenten verbinde: Paranoia, Soziopathie und Sadismus. Narzisstisch sei er, weil er »für niemanden außer sich selbst« Mitgefühl habe. Die Paranoia äußere sich in Trumps »Dämonisierung von allen, die mit ihm nicht einverstanden sind«, die Soziopathie in seinen »Lügen ohne Reue« und der Sadismus durch die »Freude daran, anderen Schaden zuzufügen«. Doch unabhängig davon, ob Gartners Urteil der (klinischen) Überprüfung standhält: Trump zieht viele Menschen in seinen Bann.
Ob sich das ändert, wenn Ali Abbasis Film »The Apprentice« noch vor dem deutschen Start vier Wochen vor den US-Wahlen in den US-Kinos anläuft, darüber rauft sich Trump vermutlich gerade die Haare. Dass er jenen »Cement-Hairstyle« überhaupt raufen kann, ist ebenfalls Thema in dem Trump-Biopic, das der iranisch-dänische Regisseur nach einem Drehbuch des Journalisten Gabriel Sherman und mit Funding aus fünf europäischen Ländern, Kanada und den USA verwirklichte – ein Teil stammt von einem Trump-Unterstützer, der sein Geld nach Sichtung des Rohschnitts so empört wie erfolglos zurückforderte.
Abbasi beginnt den durch 16-mm-Optik aufgerauten und mit dem Einsatz von Handkamera an dokumentarische Formate erinnernden fiebrigen Film in den drogen- und discodurchsetzten frühen 80ern. Der noch mit gut sitzender Föhnmatte ausgestattete angehende Immobilienmogul Trump (Sebastian Stan) bittet den als McCarthys Schießhund bekannt gewordenen skrupellosen Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong) um Hilfe: Aufgrund rassistischer Vermietungspraxis in Wohnblöcken, in denen Trump für die Miete noch persönlich an Türen pocht, droht seiner Familie eine Klage. Cohn sieht etwas in dem wie ein eifriger Kampfwelpe wirkenden Mann, lädt ihn in mafiöse Nachtclub-Hinterzimmer, macht den Abstinenzler ordentlich betrunken – und nimmt ihn unter seine Fittiche.
Was Cohn mit dem 20 Jahre jüngeren Trump verbindet, ist klar: der unbedingte Wille zur Macht. Und so bringt der Lehrer dem Meisterschüler zunächst seine drei Grundsätze bei, die obiger Narzissmusdiagnose erstaunlich ähneln: 1. Attack, attack, attack. 2. Never confess, always deny. 3. Always declare yourself the winner.
Weil diese Regeln noch immer zu gelten scheinen, mussten sich Abbasi und Sherman also eigentlich wenig ausdenken. Der von Stan mimisch und gestisch auf den Punkt gespielte Trump erklettert mit Getöse die Karriereleiter, kauft marode Skyscraper und baut sie zu Luxushotels und Shopping Malls um, wühlt sich in die Politik und die Schickeria – auf einer Partyorgie bei Cohn fragt er hemdsärmelig Andy Warhol: »Und was machen Sie so?« – und heiratet das Model Ivana (Maria Bakalova). Es folgt eine unglückliche Ehe inklusive Demütigungen und einer Vergewaltigung im atemberaubenden Trump-Tower-Apartment. Jenen Vorwurf hatte die mittlerweile verstorbene Ivana tatsächlich im Scheidungsprozess gegen Trump erhoben, wenn sie ihn auch später wieder abschwächte. (Die Bezeichnung Trumps als Vergewaltiger bleibt dagegen legitim – bis jetzt wurde ihm von 25 Frauen Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch vorgeworfen, einigen Vorwürfen wurde stattgegeben.)
Der schwule jüdische Cohn, dessen Verhöre zum Todesurteil gegen Ethel und Julius Rosenberg führten, scheint nur eine einzige angebliche »Gefahr« für den Kapitalismus mehr zu hassen als Schwule und Juden: Kommunisten. Cohns durch Selbsthass, fehlende Empathie und Ambivalenz geprägter spannender Charakter ist dabei ebenso erzählenswert wie der Trumps, und Strong spielt ihn mit beeindruckendem »deadpan«-Gesichtsausdruck bis zum tragischen Ende. Eine HIV-Erkrankung gibt Cohn bis zuletzt nicht zu, Trump lässt ihn dennoch wie eine heiße Kartoffel fallen, ganz so, wie er es gelernt hat. Schließlich muss er dringend zur Haarteiltransplantation.
Natürlich versuchte »the real Trump«, diesen Film, in dem die Fakten stimmen, zu verleumden, drohte gar – wie so oft – mit Klage. Sein Problem ist jedoch: Je lauter er öffentlich schimpft, desto mehr Aufmerksamkeit und Neugier erregt er. Zudem funktioniert der Film nicht nur als detailreiche Persönlichkeitsanalyse, an der auch Dr. Gartner seine Freude hätte. Sondern fast noch stärker als historische Beschreibung des Ultrakapitalismus, der die USA in diesen Jahrzehnten (und bis heute) prägte. Und auch wenn Trump sich vor Wut die transplantierte Mähne ausreißt: So war das, und so ist das.
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