Kritik zu Altman
Der Kanadier Ron Mann porträtiert den großen Maverick des amerikanischen Kinos, Robert Altman
Egal, wie viele Jahre ihr Tod zurückliegt, für Regisseure gilt, dass sie so lange lebendig bleiben, solange ihre Filme noch Zuschauer finden. Zu jenen großen lebendigen Toten, die gegenwärtig bleiben, weil immer neue Generationen von Filmfans Mash oder Nashville oder Short Cuts entdecken, gehört Robert Altman, 2006 im Alter von 81 Jahren gestorben. In Ron Manns so informativer wie bewegender Dokumentation über ihn wird an einer Stelle die Kritikerin Pauline Kael zitiert, für die Altman die Frage nach einem »amerikanischen Fellini oder Bergman« beantwortete. Der Vergleich mit dem großen Italiener und dem großen Schweden erscheint nicht nur wegen Altmans Autorenfilmerhandschrift so richtig, sondern weil seine Filme umgekehrt auch zu Markenzeichen ihrer Epochen wurden. Mash, obwohl die Produzenten darauf bestanden, die Handlung im Koreakrieg anzusiedeln, um ihn eben nicht allzu aktuell erscheinen zu lassen, ist einer der emblematischen Filme der Vietnamkriegsepoche geworden, so wie die Short Cuts den zerstreuten Beginn der 90er Jahre perfekt abbilden.
Der Kanadier Ron Mann verfolgt bei seinem Dokumentarfilm über den großen Maverick des amerikanischen Kinos den ehrgeizigen Ansatz, von Altman aus der Innenperspektive zu erzählen. Dazu lässt er aus dem Off vor allem Kathryn Reed, Altmans dritte Ehefrau und Lebensgefährtin für fast 50 Jahre, die Chronologie seines Lebens erzählen. Dazwischen kommt Altman selbst in Archivaufnahmen zu Wort, in Auftritten in der Dick Cavett Show und auf anderen Podien und Symposien, wo er in charakteristischer Nonchalance Anekdoten aus seinem Leben zum Besten gab. Statt wie üblich eine bestimmte Anzahl von prominenten Köpfen bei Äußerungen darüber zu filmen, wie wunderbar und wundervoll es gewesen sei, mit Altman zu drehen, lässt Ron Mann seine hochkarätigen Gäste (unter anderem Bruce Willis, Keith Carradine, Paul Thomas Anderson, Elliot Gould, Julianne Moore, Lily Tomlin) jeweils nur ein kurzes Statement darüber abgeben, was ihre Definition von »altmanesque« sei. »Seine eigenen Regeln machen«, »auf den Außenseiter setzen«, »eine Familie schaffen«, »uns Amerikanern zeigen, wer wir sind« und »Hollywood in den Hintern treten« heißt es da, wobei die Sätze jeweils auch leitmotivisch für eine bestimmte Zeit in Altmans Schaffen stehen.
In seiner schlicht chronologischen Form mag Altman als konventionelle Dokumentation daherkommen, aber was den Film so besonders macht, ist seine Präzision und Konzentration. Die privaten Anekdoten – ja, Altman gehört zu jenen Männern, die schon mal 10 000 Dollar auf ein Football-Spiel gewettet haben – sind auf ein Minimum beschränkt, die volle Aufmerksamkeit gilt ganz der Frage: »Herr Altman, wie haben Sie das gemacht?« Weshalb man schon während des Films beginnt, California Split oder Nashville auf die innere To-do-Liste zu setzen. Auf ganz eigene Weise bewegend ist der Film für jene leidenschaftlichen Kinogänger der letzten 30–40 Jahre, die jeden Altman-Film im eigenen Lebenslauf verorten können. Für viele sind sie, wie es in einem Zitat am Schluss heißt, viel mehr als nur Filme.
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