Kritik zu Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

© Warner Bros. Pictures

2019
Original-Titel: 
Als Hitler das rosa Kaninchen stahl
Filmstart in Deutschland: 
25.12.2019
L: 
119 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Caroline Link hat Judith Kerrs vielgelesenes Kinderbuch fürs Kino neu verfilmt und ermöglicht so auch einem jüngeren Publikum den Zugang zur Geschichte des »Dritten Reichs« aus dem Blickwinkel einer geglückten Flucht

Bewertung: 3
Leserbewertung
5
5 (Stimmen: 1)

»Ist es nicht herrlich, ein Flüchtling zu sein?« Naiv fragt das die zehnjährige Anna ihren Vater, als sie vom Balkon ihrer winzigen Pariser Wohnung den Blick über die Stadt schweifen lässt. Diesen Satz hat Judith Kerr, Autorin des autobiografisch geprägten Kinderbuchs »Als Hitler das rosa Kaninchen stahl«, tatsächlich so zu ihrem berühmten Vater Alfred Kerr gesagt. Erst 1971 hat sie ihre Erinnerungen an die Flucht in Romanform und in englischer Sprache veröffentlicht und ihrem Alter Ego den Namen Anna Kemper gegeben. 1978 wurde der Roman durch den WDR fürs Fernsehen das erste Mal verfilmt; Caroline Link drehte nun die erste Kinofassung.

Tatsächlich erlebt Anna die Flucht ihrer jüdischen Familie zunächst als Abenteuer – 1933 geht es mit den Eltern und dem drei Jahre älteren Bruder nach Zürich, dann in ein Schweizer Bergdorf, von dort nach Frankreich und schließlich nach England. Mit Begeisterung integriert das Mädchen sich in die Schweizer Dorfgemeinschaft und erobert später neugierig und voller Tatendrang Paris. Allerdings muss die Familie bald schon wieder weiterziehen, denn der Vater kann in Paris kein Geld verdienen. Das letzte Bild zeigt die Kempers auf der Fähre nach England; Annas Bereitschaft, sich auf eine neue Kultur einzulassen, ist beinahe physisch spürbar.

Caroline Link hütet sich davor, die Fluchtgeschichte der Kempers allzu eng mit heutigen Flüchtlingsgeschichten zu assoziieren. Judith Kerr hat stets betont, dass sie als Kind die Dramatik der damaligen Ereignisse nicht begriffen hat, und so verzichtet auch der Film auf Naziaufmärsche oder Hitleransprachen und beobachtet die historischen Geschehnisse ganz konsequent aus Annas Sicht. Auf diese Weise erreicht der Film auch ein jüngeres Publikum, für das bisher noch kaum ein adäquates Angebot zur Auseinandersetzung mit dem Thema existiert.

Während die Räume sukzessive kleiner werden, da die Familie zunehmend beengt lebt, weitet sich der Horizont. In der Schweiz öffnet sich der Himmel über der bergigen Landschaft, und in Paris gewinnt Anna den Überblick vom Eiffelturm herab. Manche Szenen geraten dabei allzu süßlich. Ärgerlich wird es, wenn die Musik die Bilder auch noch zusätzlich erklären will. Link arbeitet hier zum ersten Mal nicht mit dem Komponisten Niki Reiser, sondern mit Volker Bertelmann zusammen, der dazu neigt, den Zuschauer mit seiner Interpretation an die Hand zu nehmen. Dabei bedarf es dieser Hilfe gar nicht, schließlich weiß man, dass die Geschichte den Verlust der geografischen Heimat beschreibt und eine Chronik des ständigen Abschieds und Neubeginns ist. Heimat – das ist jetzt die Familie, die im Exil enger zusammenrückt. Waren die Eltern in Berlin mit sich selber beschäftigt und hatten die Kinder ihrem Kindermädchen überlassen, muss die Mutter nun kochen lernen, und der Vater ist stets zu Hause. Er ist es auch, der ihnen beibringt, nicht zurückzublicken, sondern sich auf Neues in der Zukunft einzulassen. Ein weises Lebensmotto, das den Kempers die Flucht als Chance ­eröffnet.

Meinung zum Thema

Kommentare

Die Musik hat den Film, der eh schon zu Kitsch neigt, kaputt gemacht. Bei mir regte sich nur Widerstand gegen diese Sauce. Sorry. Milder kann ich es nicht ausdrücken. Und Franzosen und Schweizer schon sehr klischeehaft!

Schlimm, daß dieser grauenvolle Kitschfilm - übrigens in typischer Linkscher verbrämter Machart - den deutschen Filmpreis erhalten hat. Kein Vergleich mit der präzisen, behutsamen, wertvollen TV- Verfilmung von 1978 mit Martin Benrath, Elisabeth Trissenaar u. a. hochkarätigen Schauspielerin an Originalschauplätzen.

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