Kritik zu Adieu Paris
Franziska Buch verwebt zwei Geschichten von Fremden in Frankreich zu einer Parabel aufs Leben und Sterben, aufs Streben und Geniesse
Glück! Angst! Hoffnung! Als wäre das Leben hipper Zeitgenossen, ihr Multitasking in gläsernen Flughäfen, Bankhäusern und Lofts nicht schon schwer genug, muss Franziska Buchs Film Adieu Paris bei all dem den hohen Ton der großen Fragen treffen: Liebe und Tod, Kunst und Krise, französischer Käse und deutsche Kultur, ein Ja zum Kind, ein Nein zur lebensverlängernden Apparatemedizin.
Der Film beweist Mut zum großen Melodram, zelebriert seinen Ernst jedoch wie das durchdesignte Highlight einer Handwerksmesse für europäisches Konzeptkino. Franziska Buch, die eine zwanzigjährige Karriere als Kinderfilm- und Fernsehspielregisseurin hinter sich hat, verfilmte ein Drehbuch von Martin Rauhaus, das vielleicht von Claude Sautets wunderbarem Film Die Dinge des Lebens infiziert sein wollte, aber statt dessen Unwiederbringlichkeitstrauer angesichts eines tragisch zwangsläufigen Todes bemüht sich Adieu Paris um eine hundertminütige Lektion, als müsse ein Programmauftrag für trostbedürftige Primetimezuschauer erfüllt werden.
Oder geht es um buddhistische Lebenskreislaufharmonie in Wort und Bild? Die parallel erzählten Krisengeschichten einer Schriftstellerin und eines Bankers fügen sich am Ende zu tröstlichen neuen Anfängen. Patrizia (Jessica Schwarz) erlebt am Telefon den Autounfall ihres französischen Geliebten mit, als dieser ihr gerade seinen Kinderwunsch anträgt. Frank (Hans Werner Meyer), auf dem Weg nach Paris zu einem geschäftlichen Coup, streckt ihr ein Ticket vor, als sie sich am Düsseldorfer Flughafen verstört um einen Flug bemüht. Die beiden kommen sich erst später an den Wendepunkten des Scripts näher, in dem sie Rat beim jeweils anderen suchen.
In Paris, am Bett des Geliebten, der im Koma liegt, beginnt für Patrizia eine überraschend intensive Annäherung an dessen Ehefrau Françoise (Sandrine Bonnaire). Zunächst eifersüchtig und distanziert, begegnen sie sich im Lauf der Ereignisse wie Komplizinnen, die gemeinsam – so will es Françoise – die Entscheidung verantworten sollen, ob der
Schwerstverletzte sterben darf. Gelingt es den Schauspielerinnen, die Wucht ihrer Fluchtversuche vor dem emotionalen Dilemma anzudeuten, so beutet die Kameraführung die Szenerie mit dem lebenden Toten obszön aus, indem sie etwa im Moment des Apparate-Stops mit einem Zoom auf sein Gesicht zuhält.
Hans Werner Meyer verkörpert den karrieresüchtigen, heimlich fragilen Banker, ohne in die Karikatur zu verfallen. Doch das Drehbuch mutet seiner Figur ein albern konstruiertes Debakel voll romantischer Frankreichklischees zu. Er soll die Übernahme der französischen Wurstmanufaktur von M. Albert (Gérard Jugnot) durch einen Schweizer Konzern sichern, an der seine rheinischen Bankchefs profitieren wollen. Es duftet in der heimeligen Provinzküche, Albert verbreitet das Aroma anekdotengespickten Savoir-vivres, doch seine Bilanzen sind gefälscht. Der Bankerjob ist weg, bald auch die zickige Gattin (Ina Weisse). Zeit, sich auf die nostalgische Wurst und die wahren menschlichen Werte
zu besinnen.
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