Kritik zu 7 Psychos
Colin Farrell als Drehbuchautor in Schaffenskrise, aus der ihm ein Freund mit Gewalt heraushelfen will: Bei Regisseur Martin McDonagh lassen sich Ironie und echte Gefühle kaum voneinander trennen
Ein typisches Hollywoodschicksal, von dem auch das Kino schon unzählige Male erzählt hat: Ein Schriftsteller ist irgendwann einmal den Verlockungen der Traumfabrik erlegen. Nun steht er im Dienste von Studios und Produzenten, die ihn als Genie und Erneuerer umgarnt haben, nur um ihm dann alles Eigene zu nehmen, und sitzt unter der Sonne Kaliforniens fest. Es wird immer schwerer für ihn, überhaupt etwas zu schreiben. Also sucht er schließlich auf dem Boden von Whiskyflaschen nach Geschichten. In etwa so ist es einst F. Scott Fitzgerald und Nathanael West ergangen. Und Humphrey Bogart hat ihnen wie auch allen anderen in Tinseltown gescheiterten Schriftstellern als Dixon Steele in Nicholas Rays In a Lonely Place ein grandioses filmisches Denkmal gesetzt.
Gut 60 Jahre später ist nun Colin Farrell in Humphrey Bogarts Fußstapfen getreten. Irgendwann hatte der Ire Marty Flanaran sogar den einen oder anderen Erfolg in Hollywood. Doch nun steckt auch er fest. Einen Titel hat er zwar schon für sein neues Drehbuch: »Seven Psychopaths«. Doch das war es dann auch. Ihm fällt einfach nichts ein. Selbst die Geschichten von irren Mördern, bizarren Rächern und ehrenhaften Serienkillern, die ihm sein bester Freund, der arbeitslose Schauspieler Billy (Sam Rockwell), ständig erzählt, bringen Marty nicht weiter, will er diesmal doch andere Wege beschreiten. Die Gewalt soll endlich einmal nur Nebensache sein, während sich in Wahrheit alles um Liebe und die Suche nach Ruhe und Frieden dreht.
Diese Sehnsucht nach dem Ende der Gewalt, nach einem anderen Kino, das selbst einen mörderischen Psychopathen als Liebenden und damit immer auch Verzweifelten zeigt, teilt Martin McDonagh mit seinem Protagonisten. Doch während Colin Farrells Marty an diesem Gegensatz fast zerbricht, sich tiefer und tiefer in den Alkohol flüchtet und dabei selbst verliert, gelingt McDonagh diese Gratwanderung scheinbar spielend.
Mit Brügge sehen . . . und sterben?, seinem ersten langen Film, und The Guard, dem Spielfilmdebüt seines Bruders John Michael McDonagh, das er mitproduziert hat, bewegt sich Martin McDonagh zweifellos auf einem Terrain, das einst von Quentin Tarantino und den Coen-Brüdern abgesteckt wurde. Aber er hat sich in diesem Dickicht aus Ironie und tieferer Bedeutung, verspielter Hommage und direkter Appropriation ein ganz eigenes Territorium erobert.
Gewalt und Tod sind geradezu omnipräsent in McDonaghs Filmen. 7 Psychos beginnt mit einem irrwitzigen Dialog zweier Killer darüber, was es heißt, seinen Opfern direkt ins Auge zu schießen. Während sie auf ihr nächstes Ziel warten und über Vorgehensweisen beim Morden diskutieren, nähert sich ihnen von hinten ein maskierter Mann, der »Karo-Bube« genannte Serienkiller, und erschießt sie. Damit hat Marty seinen ersten Psychopathen und der Film ein zutiefst sarkastisches Vorspiel. Der Angriff des Karo- Buben zielt eben nicht nur auf zwei zynische Gangster. McDonagh löscht in dieser unterhalb des Hollywood Sign gedrehten Szene auch eine ganze Spielart des modernen Independent-Kinos aus. Die Kugeln, die zwei Killer ihres Lebens und ihrer Augen berauben, sind der Preis für deren sich an der eigenen Coolness berauschenden Dialogen.
Was darauf folgt, ist ein sehr persönlicher Gegenentwurf und ein konsequenter Drahtseilakt, der Genreerwartungen zugleich bricht und erfüllt. Billy, der sich zusammen mit seinem Freund Hans (Christopher Walken) als Hundeentführer über Wasser hält, hält nichts von Martys Ideen. Er träumt von einem Film, in dem Taten beredter sind als Worte und Kugeln alles Wesentliche sagen. Das deckt sich schließlich mit seinem eigenen Leben, nachdem er den Shih Tzu des Gangsterbosses Charlie (Woody Harrelson) gekidnappt hat.
Martin McDonagh und seinem perfekt harmonierenden Ensemble, zu dem auch Tom Waits, Abbie Cornish und Harry Dean Stanton gehören, gelingt dabei das beinahe Unmögliche. Billys Forderungen nach Gewalt und echten Männern kommen durchaus zu ihrem Recht. Doch erweisen sich all diese von klassischer pulp fiction geprägten Psychopathenporträts als verquere Liebesgeschichten. Und so trifft der Schuss auf die Augen letztlich direkt ins Herz.
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