Kritik zu 4 Könige

© Port au Prince

Nicht heilig und nicht nur zu dritt: Theresa von Eltz erzählt in ihrem Spielfimdebüt von vier Jugendlichen, die aus unterschiedlichen Gründen Weihnachten in der Psychiatrie verbringen

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Die Bilder sind leicht verwackelt. Das Licht ist kalt und ein wenig zu grell. Aber das interessiert Lara nicht. Auch dass ihr die Kamera eigentlich viel zu nah kommt, stört die Teenagerin nicht weiter. Sie ist ganz in ihrem Element, obwohl die Fragen nach Weihnachten schon einige schmerzhafte Punkte treffen.

In diesem Moment weiß man praktisch noch nichts über das von Jella Haase gespielte Mädchen. Theresa von Eltz stürzt einen mitten hinein in eine nahezu abgeschlossene Welt. Die Videokamera, vor der sich Lara so gezielt in Szene setzt, schafft nicht nur eine irritierende Nähe. Sie verweist auch auf eine seltsame Spannung. Wenn diese immer etwas Aufsässige über Weihnachten spricht und dabei nebenbei noch erwähnt, wie sehr sie Geigenmusik hasst, dann ist das eigentlich ein überaus privater Augenblick, in dem Lara viel mehr von sich verrät, als ihr wahrscheinlich selbst bewusst ist. Aber durch die Kamera wird er öffentlich und damit analysierbar.

Genau diese Gleichzeitigkeit von Persönlichem und Öffentlichem macht in Theresa von Eltz' Kinodebüt das Wesen der Jugendpsychiatrie aus. Wie Lara sollen auch die innerlich zerrissene Alex (Paula Beer), der völlig verängstigte Fedja (Moritz Leu) und der zu Gewaltausbrüchen neigende Timo (Jannis Niewöhner) die Weihnachtstage im Krankenhaus verbringen. Sie dürften auch gehen, das betont ihr Arzt Dr. Wolff (Clemens Schick) mehrmals. Nur gibt es jenseits dieser Mauern und des Parks, der zur Klinik gehört, kaum etwas für diese »4 Könige«, die ihren Weg verloren haben.

Der Konflikt, der sich zwischen dem unkonventionellen Dr. Wolff und einer von Anneke Kim Sarnau gespielten Krankenschwester entspinnt, weckt Erinnerungen an den Klassiker »Einer flog über das Kuckucksnest«. Aber das Augenmerk liegt ganz deutlich auf den vier Jugendlichen. Der Betrachter gerät dabei in eine ähnliche Rolle wie Dr. Wolff. Er wird zum Beobachter, der fortwährend seine eigenen Schlüsse zieht.

Für Lara ist sowieso alles Spiel und Inszenierung. Ihre wahren Gefühle will sie nicht zeigen, denn dann würden die Menschen um sie herum womöglich erkennen, wie verletzlich sie in Wahrheit ist. Auch die anderen haben Schutzwälle errichtet, hinter denen sie sich verschanzen und die doch immer wieder Risse bekommen. Diesen Kratzern in der Fassade spürt Theresa von Eltz nach. Immer wieder bringt sie ihre Figuren in Zweier- oder Dreierkonstellationen zusammen.

Mal sind die Jugendlichen unter sich, mal treffen Einzelne von ihnen auf ihre Eltern. Dabei entstehen einige ungeheuer intensive Momente, in denen die vier erkennen müssen, dass sie sich letztlich nur aufeinander verlassen können. Ihre Eltern haben versagt, und das System, in das sie geraten sind, versagt letztlich auch. Trotz ihrer Sympathien für Dr. Wolff, der bei Clemens Schick etwas Rebellisches hat, zeichnet Theresa von Eltz ein pessimistisches Bild der Jugendpsychiatrie. Statt ihnen zu helfen, sollen sie gefügig gemacht werden. Und so ist es der Zuschauer, der zum Verbündeten der Jugendlichen wird. Er bekommt quasi den Auftrag, gegen die allgegenwärtige Gleichschaltung zu opponieren.

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