Permanenter Link Gespeichert von Peter Bowa am 7. Oktober 2024 - 11:28
Der Film beeindruckt, zumal wenn man ihn als Mensch betrachtet, der in Stuttgart lebt. Gab es einstmals doch offenbar Zeiten, in welchen diese Stadt Weltklasse bewies – und nicht lediglich Mittelmaß oder gar Unterirdisches.
Gleich auf drei Ebenen darf man den Choreographen John Cranko erleben: Auf der Bühne und bei Proben, in fiktiven Ballett-Phantasien außerhalb des Opernhauses, sowie im Privaten. Das Letztere vielfach geprägt von unglücklichen Lieben und vermeintlichen Auswegen, wobei Nikotin, Alkohol bzw. noch weit härtere Drogen eine große Rolle spielen.
Was letztlich aber bleibt von Cranko, gerade auch nach seinem frühen Tod mit 45 Jahren, ist das “Stuttgarter Ballettwunder”. Lange Zeit dachte ich, der Ausdruck sei eine Art von kommunaler Eigenwerbung, bis mich der Film nun mit der Aufklärung überraschte, dass die “New York Times” Wortschöpferin war – dies im Jahre 1969 nach dem Auftritt der Cranko-Kompanie in der dortigen “Metropolitan Opera”.
Und worin bestand das Wunder? “Ich will mit Tanz sagen, was man mit Worten nicht sagen kann!”, antwortet Cranko im Film selbst. In der Rezension einer bekannten deutschen Zeitung über den Film von Joachim A. Lang las ich, das käme einer Plattitüde gleich, sei also abgedroschen. Wirklich?
Ohne ein ausgewiesener Ballett-Kenner zu sein, fällt mir die Tanzszene aus “Romeo und Julia” ein. Im Fecht-Duell tödlich getroffen hat Graf Paris bei Shakespeare nur einen Satz: “Oh, ich bin hin”, dann fällt er. Sam Riley als Cranko macht daraus mit seinen Ballett-Schülern einen furiosen Todestanz zwischen Niedersinken und Auferstehen, bis die Figur am Ende dann doch zusammenbricht. So steht das bei Shakespeare tatsächlich nicht, es ist auch keine Performance, die den Dichter-Worten tänzerisch lediglich nachempfunden wurde – es ist mehr, eben vielleicht ein Teil des Wunders.
Stellt sich schlussendlich die Frage, ob dergleichen Genie überhaupt nur rauschhaft zu verwirklichen ist, wie es Cranko damals anscheinend selber sah. Ehrlich gesagt, es ist mir ein Rätsel. Immerhin gab es andere große Künstler, die einem alkoholisierten »Zustand, in dem die Hemmungen ausgeschaltet, die Selbstkritik betäubt, die gute künstlerische Haltung in Frage gestellt wäre«, misstrauten – und für das eigene Schaffen deshalb kaum akzeptieren wollten. (Zitat Thomas Mann von 1906, indes bekanntlich ein starker Raucher) Doch wie auch immer – Cranko ist ein toller Film – und das darin mitwirkende heutige Stuttgarter Ballett präsentiert eine Meisterleistung!
Cranko – Als Stuttgart einmal Weltklasse bewies
Der Film beeindruckt, zumal wenn man ihn als Mensch betrachtet, der in Stuttgart lebt. Gab es einstmals doch offenbar Zeiten, in welchen diese Stadt Weltklasse bewies – und nicht lediglich Mittelmaß oder gar Unterirdisches.
Gleich auf drei Ebenen darf man den Choreographen John Cranko erleben: Auf der Bühne und bei Proben, in fiktiven Ballett-Phantasien außerhalb des Opernhauses, sowie im Privaten. Das Letztere vielfach geprägt von unglücklichen Lieben und vermeintlichen Auswegen, wobei Nikotin, Alkohol bzw. noch weit härtere Drogen eine große Rolle spielen.
Was letztlich aber bleibt von Cranko, gerade auch nach seinem frühen Tod mit 45 Jahren, ist das “Stuttgarter Ballettwunder”. Lange Zeit dachte ich, der Ausdruck sei eine Art von kommunaler Eigenwerbung, bis mich der Film nun mit der Aufklärung überraschte, dass die “New York Times” Wortschöpferin war – dies im Jahre 1969 nach dem Auftritt der Cranko-Kompanie in der dortigen “Metropolitan Opera”.
Und worin bestand das Wunder? “Ich will mit Tanz sagen, was man mit Worten nicht sagen kann!”, antwortet Cranko im Film selbst. In der Rezension einer bekannten deutschen Zeitung über den Film von Joachim A. Lang las ich, das käme einer Plattitüde gleich, sei also abgedroschen. Wirklich?
Ohne ein ausgewiesener Ballett-Kenner zu sein, fällt mir die Tanzszene aus “Romeo und Julia” ein. Im Fecht-Duell tödlich getroffen hat Graf Paris bei Shakespeare nur einen Satz: “Oh, ich bin hin”, dann fällt er. Sam Riley als Cranko macht daraus mit seinen Ballett-Schülern einen furiosen Todestanz zwischen Niedersinken und Auferstehen, bis die Figur am Ende dann doch zusammenbricht. So steht das bei Shakespeare tatsächlich nicht, es ist auch keine Performance, die den Dichter-Worten tänzerisch lediglich nachempfunden wurde – es ist mehr, eben vielleicht ein Teil des Wunders.
Stellt sich schlussendlich die Frage, ob dergleichen Genie überhaupt nur rauschhaft zu verwirklichen ist, wie es Cranko damals anscheinend selber sah. Ehrlich gesagt, es ist mir ein Rätsel. Immerhin gab es andere große Künstler, die einem alkoholisierten »Zustand, in dem die Hemmungen ausgeschaltet, die Selbstkritik betäubt, die gute künstlerische Haltung in Frage gestellt wäre«, misstrauten – und für das eigene Schaffen deshalb kaum akzeptieren wollten. (Zitat Thomas Mann von 1906, indes bekanntlich ein starker Raucher) Doch wie auch immer – Cranko ist ein toller Film – und das darin mitwirkende heutige Stuttgarter Ballett präsentiert eine Meisterleistung!