Permanenter Link Gespeichert von Peter Bowa am 21. Mai 2024 - 13:36
– Über dem Leben das Werk ein bisschen vergessen –
"Sie verkörpern ein Paar, das wie geschaffen füreinander erscheint", schreibt Dietmar Kanthak. Dem stimme ich zu, sofern man das Wörtchen "erscheint" betont. Und es ist der Film selbst, der diesen Schein erweckt, ja wohl auch zu erwecken sucht. Wir Zuschauer dürfen in der Folge zusammen mit dem Liebespaar das letzte Jahr Franz Kafkas erleben, eine herrliche und schlimme Zeit. Schlimm vor allem, weil ihr tragisches Ende vorgezeichnet ist, der frühe Tod des tuberkulosekranken Schriftstellers, der erst posthum weltberühmt werden sollte. Und der doch fast alles für unzureichend hielt, was er jemals schrieb.
Eben hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Art und Weise Dora Diamants, die praktisch nicht nur beim Kartoffelschälen ist, sondern darüberhinaus als begabte und hingebungsvolle Kinder-Erzieherin im Jüdischen Volksheim. Sowohl ihre eigene Arbeit als auch diejenige Kafkas hält sie für gut und wichtig, das spürt er, ihre Stärke gibt ihm Kraft, wenngleich seine Selbstzweifel nie verschwinden. Sein Glück aber ist, bis zuletzt Dora Diamant als Geliebte und Max Brod als treuen Freund um sich zu haben.
Soweit stimmt alles an dem wunderbaren Film, nur die dunkle oder zumindest ambivalente Seite inform dessen, was Kafka gerade auch in jener Zeit verfasste, bleibt m.E. zu sehr am Rande. Sicherlich kann in ca. 1,5 Stunden nicht alles dargestellt werden, doch das Rätselhafte an Kafkas Werk hätte durchaus etwas tiefergehend erfasst werden dürfen.
Z.B. erzählt Kafka gleich zu Beginn der Handlung einer Kinderschar am Ostseestrand die "Kleine Fabel" von der Maus, welcher nur die Wahl bleibt zwischen dem Tod in der Falle und dem Gefressenwerden durch die Katze. Eigentlich keine Geschichte, an der sich Kinder begeistern, doch vielleicht muss man weiterdenken: Es sind jüdische Kinder im Jahr 1923, zehn Jahre später müssen sie sich vielleicht genauso fühlen wie diese Maus.
Das Märchen von den Puppenbriefen wiederum wird nur andeutungsweise eingeblendet, der Schluss mit der Heirat der Puppe, die dem kleinen Mädchen ihr Hochzeitsglück per Post mitteilt, bleibt leider unerwähnt. Dabei träumte der Autor erstmals selbst davon, eine Frau – eben eine wie Dora zu heiraten.
Gar nicht zur Sprache kommt Josefine, die Sängerin aus dem Volk der Mäuse. Kafka schrieb das in der gemeinsamen, aber kalten Berliner Winter-Wohnung: Eine Parabel über Künstler, die im Grunde nichts Besonderes können, was andere nicht auch können würden, die man indes bewundert – wer weiß warum. So sah sich Kafka offenbar selbst – und wenn der Künstler, wie Josefine es tut, am Ende verschwindet, vergisst man ihn bald. War Kafkas letzte Geschichte demnach auch eine Art Verabschiedung in eigener Sache? Gut möglich.
Insgesamt betrachtet tut es dem Film allerdings keinen großen Abbruch, dass er manches offenlässt bzw. über dem Leben das Werk ein bisschen vergisst. Immerhin kann er ja Einstieg sein, sich z.B. mit den genannten drei Texten im Nachgang zu befassen: Die kleine Fabel, die Puppenbriefe und Josefine. Lassen sie einen doch besser noch verstehen, was im Film zu sehen ist, wenn sie nicht für den einen oder anderen überhaupt zum Einstieg in Kafka-Lektüre werden.
Über dem Leben das Werk ein bisschen vergessen
– Über dem Leben das Werk ein bisschen vergessen –
"Sie verkörpern ein Paar, das wie geschaffen füreinander erscheint", schreibt Dietmar Kanthak. Dem stimme ich zu, sofern man das Wörtchen "erscheint" betont. Und es ist der Film selbst, der diesen Schein erweckt, ja wohl auch zu erwecken sucht. Wir Zuschauer dürfen in der Folge zusammen mit dem Liebespaar das letzte Jahr Franz Kafkas erleben, eine herrliche und schlimme Zeit. Schlimm vor allem, weil ihr tragisches Ende vorgezeichnet ist, der frühe Tod des tuberkulosekranken Schriftstellers, der erst posthum weltberühmt werden sollte. Und der doch fast alles für unzureichend hielt, was er jemals schrieb.
Eben hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Art und Weise Dora Diamants, die praktisch nicht nur beim Kartoffelschälen ist, sondern darüberhinaus als begabte und hingebungsvolle Kinder-Erzieherin im Jüdischen Volksheim. Sowohl ihre eigene Arbeit als auch diejenige Kafkas hält sie für gut und wichtig, das spürt er, ihre Stärke gibt ihm Kraft, wenngleich seine Selbstzweifel nie verschwinden. Sein Glück aber ist, bis zuletzt Dora Diamant als Geliebte und Max Brod als treuen Freund um sich zu haben.
Soweit stimmt alles an dem wunderbaren Film, nur die dunkle oder zumindest ambivalente Seite inform dessen, was Kafka gerade auch in jener Zeit verfasste, bleibt m.E. zu sehr am Rande. Sicherlich kann in ca. 1,5 Stunden nicht alles dargestellt werden, doch das Rätselhafte an Kafkas Werk hätte durchaus etwas tiefergehend erfasst werden dürfen.
Z.B. erzählt Kafka gleich zu Beginn der Handlung einer Kinderschar am Ostseestrand die "Kleine Fabel" von der Maus, welcher nur die Wahl bleibt zwischen dem Tod in der Falle und dem Gefressenwerden durch die Katze. Eigentlich keine Geschichte, an der sich Kinder begeistern, doch vielleicht muss man weiterdenken: Es sind jüdische Kinder im Jahr 1923, zehn Jahre später müssen sie sich vielleicht genauso fühlen wie diese Maus.
Das Märchen von den Puppenbriefen wiederum wird nur andeutungsweise eingeblendet, der Schluss mit der Heirat der Puppe, die dem kleinen Mädchen ihr Hochzeitsglück per Post mitteilt, bleibt leider unerwähnt. Dabei träumte der Autor erstmals selbst davon, eine Frau – eben eine wie Dora zu heiraten.
Gar nicht zur Sprache kommt Josefine, die Sängerin aus dem Volk der Mäuse. Kafka schrieb das in der gemeinsamen, aber kalten Berliner Winter-Wohnung: Eine Parabel über Künstler, die im Grunde nichts Besonderes können, was andere nicht auch können würden, die man indes bewundert – wer weiß warum. So sah sich Kafka offenbar selbst – und wenn der Künstler, wie Josefine es tut, am Ende verschwindet, vergisst man ihn bald. War Kafkas letzte Geschichte demnach auch eine Art Verabschiedung in eigener Sache? Gut möglich.
Insgesamt betrachtet tut es dem Film allerdings keinen großen Abbruch, dass er manches offenlässt bzw. über dem Leben das Werk ein bisschen vergisst. Immerhin kann er ja Einstieg sein, sich z.B. mit den genannten drei Texten im Nachgang zu befassen: Die kleine Fabel, die Puppenbriefe und Josefine. Lassen sie einen doch besser noch verstehen, was im Film zu sehen ist, wenn sie nicht für den einen oder anderen überhaupt zum Einstieg in Kafka-Lektüre werden.