Permanenter Link Gespeichert von Peter Bowa am 24. November 2023 - 18:43
Eigen ja – aber kein "Brötler"!
"Eigenbrötler", wie in Ihrer Filmbesprechung, muss man ihn nicht nennen, "Zausel" schon gar nicht. Andreas Egger ist ein Mann, der sich selbst in Ordnung hält – und der auch der Gesellschaft gegenüber sein Leben zu behaupten versteht.
"Wenn Du mich schlagst, bring ich dich um!", sagt er – erwachsen geworden und stark – zu Kranzstocker, jenem Bauern, bei dem Egger unter Prügeln Dienst tun musste von Kindesbeinen an.
"Am Berg bin ich der Einzige, der gerade geht", sagt der – aufgrund der Schläge Kranzstockers – Hinkende zum skeptisch dreinsehenden Prokuristen der Seilbahn-Firma "Bittermann & Söhne" – bevor man ihn einstellt.
Und auch gegenüber seinen Kollegen, und dem Freund Thomas Mattl sowieso, weiß Egger sich Respekt zu verschaffen und genießt Vertrauen. Ebenfalls trägt er das Herz auf dem rechten Fleck und versteckt es nicht, wenn er die Marie ohne langes Getue oder Umschweife fragt: "Willst du meine Frau werden?" – und ein geflüstertes "Ja" zu hören bekommt.
Lange würde sie – die Geliebte – da schon nicht mehr leben (eine Lawine bringt ihr den Tod), auch der Mattl stirbt – wie einige andere auch, die Egger nahestehen. Er aber lebt und arbeitet weiter; in immer wieder unterschiedlichen Anstellungen, sogar in den Krieg nach Russland verschlägt es ihn. Nach 1945, das taucht im Film leider nicht mehr auf, wird er Fremdenführer und zeigt Ausflüglern die Bergwelt – still und auf seine Art – denn es ist halt seine Welt. Und zugleich eine Welt, die sich durch Verkehr, Elektrifizierung und Neuansiedlung usw. immer schneller, ja rasant verändert.
Eigentlich nur einmal im Leben redet Andreas Egger wirklich viel und sprudeln ihm die Worte aus dem Mund, worüber er selber staunt: Als er Marie die seine und demnächst ihrer beider Hütte zeigt, in der sie als Mann und Frau zusammen hoch oben in den Bergen leben werden bzw. es planen. Leider gibt der Film nicht den ganzen Satz wieder, welchen Egger im Roman Seethalers bei dieser Gelegenheit spricht, wenn er erklärt, "kein Bauer sein zu wollen, der in der Erde wühlt": "Ein Mann nach seinem Geschmack aber müsse den Blick heben, auf dass er möglichst weit hinwegschaue über sein eigenes, eng begrenztes Fleckchen Erde." (vergl. Suhrkamp, S.37)
Genau das ist ihm gelungen – und auch nicht gelungen! Viel weiter als andere im Dorf konnte er wohl schauen, aber leider auch nicht so weit wie er wollte. Dass ihm das Teuerste im Leben genommen wurde (er nennt es "entrissen"), zerbrach ihn zwar nicht, aber die Wunde heilte auch nie. Seine ständigen handschriftlichen Briefe an Marie sind eine Erfindung des Films, passen auch nicht ganz zu ihm und seiner Figur. Im Buch schreibt er nur einen, den er überdies in russischer Erde versenkt – und nicht direkt in Maries Sarg auf dem heimischen Friedhof, wie es mehrmals der Film in Szene setzt.
Dafür bekommt er im Buch einen Erzähler zur Seite, der seine Gedanken gut zu kennen scheint, die er dem Leser beiläufig mitteilt, fast wie ein alter ego. Vielleicht hätte dem Film eine solche Erzählstimme auch gut getan. Doch wie auch immer, man kann das Buch ja lesen, viel länger als der Film dauert das nicht – und beide Kunstwerke ergänzen sich.
Nur, dass Egger am Ende glücklich ist, glaube ich nicht. Im Buch sagt er (im Film ist es etwas verkürzt) nach einer schattenhaften Erscheinung Maries draußen in der Landschaft, dass "er hätte lachen können vor reinem Glück, wäre er nicht so verwirrt und müde gewesen." "Hätte" und "wäre" – den zweifachen Konjunktiv halte ich für wichtig, denn Eggers Müdigkeit resultiert aus der Knochenarbeit, die sein Körper ein Leben lang leisten musste, und seine Verwirrung rührt insbesondere von der neuen Zeit, die in den ehemals einsamen Bergen mit Tourismus und Verwirtschaftung von Natur und Umwelt an- und eingebrochen ist.
Unkritisch den Verhältnissen gegenüber ist Egger nämlich nicht, obgleich kein Rebell. Und unzufrieden ist er zum Schluss ebenso nicht – aber ohne Gram oder gar glücklich, wie man etlichen Rezensionen entnehmen kann? Das wage ich zu bezweifeln – und nicht zuletzt gilt dies auch für die werbewirksame Ankündigung der Tobis GmbH als Verfilmung eines "Jahrhundertromans". Robert Seethalers Text ist gute Literatur, die bewegende Geschichte eines einfachen Lebens im 20. Jahrhundert. Dem Film wiederum gelingt es, das nachzuzeichnen mit wunderbaren Bildern. Übertreibungen hingegen sind fehl am Platz!
Ein ganzes Leben
Eigen ja – aber kein "Brötler"!
"Eigenbrötler", wie in Ihrer Filmbesprechung, muss man ihn nicht nennen, "Zausel" schon gar nicht. Andreas Egger ist ein Mann, der sich selbst in Ordnung hält – und der auch der Gesellschaft gegenüber sein Leben zu behaupten versteht.
"Wenn Du mich schlagst, bring ich dich um!", sagt er – erwachsen geworden und stark – zu Kranzstocker, jenem Bauern, bei dem Egger unter Prügeln Dienst tun musste von Kindesbeinen an.
"Am Berg bin ich der Einzige, der gerade geht", sagt der – aufgrund der Schläge Kranzstockers – Hinkende zum skeptisch dreinsehenden Prokuristen der Seilbahn-Firma "Bittermann & Söhne" – bevor man ihn einstellt.
Und auch gegenüber seinen Kollegen, und dem Freund Thomas Mattl sowieso, weiß Egger sich Respekt zu verschaffen und genießt Vertrauen. Ebenfalls trägt er das Herz auf dem rechten Fleck und versteckt es nicht, wenn er die Marie ohne langes Getue oder Umschweife fragt: "Willst du meine Frau werden?" – und ein geflüstertes "Ja" zu hören bekommt.
Lange würde sie – die Geliebte – da schon nicht mehr leben (eine Lawine bringt ihr den Tod), auch der Mattl stirbt – wie einige andere auch, die Egger nahestehen. Er aber lebt und arbeitet weiter; in immer wieder unterschiedlichen Anstellungen, sogar in den Krieg nach Russland verschlägt es ihn. Nach 1945, das taucht im Film leider nicht mehr auf, wird er Fremdenführer und zeigt Ausflüglern die Bergwelt – still und auf seine Art – denn es ist halt seine Welt. Und zugleich eine Welt, die sich durch Verkehr, Elektrifizierung und Neuansiedlung usw. immer schneller, ja rasant verändert.
Eigentlich nur einmal im Leben redet Andreas Egger wirklich viel und sprudeln ihm die Worte aus dem Mund, worüber er selber staunt: Als er Marie die seine und demnächst ihrer beider Hütte zeigt, in der sie als Mann und Frau zusammen hoch oben in den Bergen leben werden bzw. es planen. Leider gibt der Film nicht den ganzen Satz wieder, welchen Egger im Roman Seethalers bei dieser Gelegenheit spricht, wenn er erklärt, "kein Bauer sein zu wollen, der in der Erde wühlt": "Ein Mann nach seinem Geschmack aber müsse den Blick heben, auf dass er möglichst weit hinwegschaue über sein eigenes, eng begrenztes Fleckchen Erde." (vergl. Suhrkamp, S.37)
Genau das ist ihm gelungen – und auch nicht gelungen! Viel weiter als andere im Dorf konnte er wohl schauen, aber leider auch nicht so weit wie er wollte. Dass ihm das Teuerste im Leben genommen wurde (er nennt es "entrissen"), zerbrach ihn zwar nicht, aber die Wunde heilte auch nie. Seine ständigen handschriftlichen Briefe an Marie sind eine Erfindung des Films, passen auch nicht ganz zu ihm und seiner Figur. Im Buch schreibt er nur einen, den er überdies in russischer Erde versenkt – und nicht direkt in Maries Sarg auf dem heimischen Friedhof, wie es mehrmals der Film in Szene setzt.
Dafür bekommt er im Buch einen Erzähler zur Seite, der seine Gedanken gut zu kennen scheint, die er dem Leser beiläufig mitteilt, fast wie ein alter ego. Vielleicht hätte dem Film eine solche Erzählstimme auch gut getan. Doch wie auch immer, man kann das Buch ja lesen, viel länger als der Film dauert das nicht – und beide Kunstwerke ergänzen sich.
Nur, dass Egger am Ende glücklich ist, glaube ich nicht. Im Buch sagt er (im Film ist es etwas verkürzt) nach einer schattenhaften Erscheinung Maries draußen in der Landschaft, dass "er hätte lachen können vor reinem Glück, wäre er nicht so verwirrt und müde gewesen." "Hätte" und "wäre" – den zweifachen Konjunktiv halte ich für wichtig, denn Eggers Müdigkeit resultiert aus der Knochenarbeit, die sein Körper ein Leben lang leisten musste, und seine Verwirrung rührt insbesondere von der neuen Zeit, die in den ehemals einsamen Bergen mit Tourismus und Verwirtschaftung von Natur und Umwelt an- und eingebrochen ist.
Unkritisch den Verhältnissen gegenüber ist Egger nämlich nicht, obgleich kein Rebell. Und unzufrieden ist er zum Schluss ebenso nicht – aber ohne Gram oder gar glücklich, wie man etlichen Rezensionen entnehmen kann? Das wage ich zu bezweifeln – und nicht zuletzt gilt dies auch für die werbewirksame Ankündigung der Tobis GmbH als Verfilmung eines "Jahrhundertromans". Robert Seethalers Text ist gute Literatur, die bewegende Geschichte eines einfachen Lebens im 20. Jahrhundert. Dem Film wiederum gelingt es, das nachzuzeichnen mit wunderbaren Bildern. Übertreibungen hingegen sind fehl am Platz!