Kritik zu Eine bretonische Liebe

© Arsenal Filmverleih

Mit charmanter Leichtigkeit widmet sich Carine Tradieu in ihrer klugen, kunstvollen Komödie den großen Themen der menschlichen Existenz mit einem hervorragenden Cast

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Jede Familie hat ihre Geheimnisse, lebt mit den kleinen und großen Lügen, den Brüchen des eigenen Daseins. Die einen halten sie unter der Oberfläche der bürgerlichen Existenz verborgen, andere tragen sie offen zur Schau und wieder andere wissen gar nichts von den eigenen Geheimnissen – so wie Erwan (François Damiens). Er ist Bombenentschärfer. Einst rettete er Leben in den Krisenregionen dieser Welt, doch als seine Frau starb, kehrte er nach Frankreich zurück, um sich um die gemeinsame Tochter Juliette (Alice de Lencquesaing) zu kümmern. Die ist nun erwachsen – und schwanger. Von wem, weiß sie nicht oder gibt vor, es nicht zu wissen. Um einen genetischen Defekt auszuschließen, den einige Familienmitglieder tragen, machen sie und Erwan einen DNA-Test. Der bringt zutage, dass der Mann, den Erwan seit mehr als 40 Jahren für seinen Vater gehalten hat, gar nicht sein biologischer Vater ist.

Drehbuchautorin und Regisseurin Carine Tardieu lässt die beiden Vatergeschichten parallel verlaufen und verwebt sie doch untrennbar miteinander. Da der Mann, der mit einer Privatdetektivin nach seinem leiblichen Vater sucht. Auf der anderen Seite die junge Frau, die ihr Kind allein großziehen und ihm den Vater vorenthalten will. Doch das lässt Erwan nicht zu: Als er herausfindet, dass ausgerechnet Didier (Estéban), der bei ihm ein Praktikum macht, der Erzeuger sein soll, setzt er alles daran, Vater, Mutter und das ungeborene Kind zusammenzubringen und richtet damit allerlei Unheil an – zunächst.

Um die eigene Vatersuche steht es indes nicht besser. Zwar macht die Detektivin tatsächlich einen alten Herren, Joseph, (André Wilms) aus, der Erwans Mutter kurz vor der Hochzeit kannte. Doch genau erinnern kann er sich nicht. Und dann ist da natürlich noch Erwans Ziehvater (Guy Marchand), der all die Jahre zumindest geahnt hat, dass Erwan nicht sein leiblicher Sohn ist. Als wäre das nicht genug, hat Joseph eine Tochter (Cécile de France), der Erwan zufällig bei einem nächtlichen Wildunfall auf der Landstraße begegnet. Das ist eine dieser vielen bizarren Szenen in Tardieus kunstvoll inszenierter Komödie. Erwan fühlt sich zu ihr hingezogen, erfährt allerdings wenig später, dass sie möglicherweise seine Halbschwester ist.

Die beiden Hauptdarsteller Damiens und de France sind dabei ebenso wie alle anderen Darsteller einer der großen Glücksgriffe Tardieus: Damiens als gutmütiger, etwas unbeholfener Erwan mit viel Sinn für Humor, und de France als selbstbewusste, kratzbürstige und doch verletzliche Anna, die sich um ihren alten Vater kümmert, dabei aber ihr eigenes Leben zu leben vergisst. Beide beweisen bei ihren Treffen jeweils ein mehr als unglückliches Timing in ihrem Agieren und geben doch das perfekte Paar ab. Auch das trägt zum Charme des Films bei.

Selten hat jemand mit so viel Witz und Ernsthaftigkeit zugleich von den Tragödien der menschlichen Existenz erzählt. »Ich dachte, meine Familie sei banal«, sagt Erwan einmal. Banale Familiengeschichten? Die gibt es nicht – schon gar nicht so schön und clever erzählt.

Meinung zum Thema

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Mit lockerer Hand hat Regisseurin Carine Tardieu eine vielseitig verschlungene Familiengeschichte inszeniert, in der Witwer Erwan (Francois Damiens) erkennt, dass Bastien (Guy Marchand), sein bisheriger Vater nicht sein leiblicher ist. Das ist anscheinend Joseph (André Wilms). Parallel dazu verläuft die Suche nach dem Vater von Juliettes (Alice de Lencquesaig) Baby, Erwans Tochter. Der findet sogar Didier (Estéban) einen jungen Mann, der sich bereit erklärt, Juliette zu heiraten. Erwan trifft Anna (Cécile de France), die Tochter von Joseph und es bleibt lange Zeit offen, ob sie Geschwister sind oder nicht.
Mit der sprichwörtlichen Leichtigkeit der Bretagne laufen sich alle Beteiligten immer wieder über den Weg: die zwei optionalen Väter von Erwan: Bastien und Joseph. Und auch Erwan trifft sich mal mit jedem einzelnen, mal mit allen gemeinsam. Dabei werden nach der bekannten Salami-Taktik immer weitere Details der möglichen Vaterschaften enthüllt. Dabei trifft doch der Originaltitel genau ins Schwarze ‘Befreit mich vom Zweifel‘. Kleine spaßige Asides treffen z.B. auf eine Patientin von Anna zu: eine ältere Dame (Anna Gaylor) könnte fast eine Verschwörungstheoretikerin sein.
Selbst als das Kuvert von Annas Vaterschaftstest vorliegt, macht es Tardieu nochmal kurz spannend, weil alle um den heißen Brei herumreden, bis das Drehbuch den Wünschen des Publikums nachkommt und wir wissen, wie eine bretonische Liebe tickt. Das gesamte Promi-Team bringt’s bis zum Schluss in dieser herrlichen Komödie um einen eigentlich ernsten Hintergrund.

Meine Vermutung ist, dass Anna nicht das leibliche Kinde ihres Vaters ist, sondern aus einem Seitensprung ihrer Mutter mit dem besten Freund des vermeintlichen Vaters hervorging.

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